Mittwoch, 5. Dezember 2012

Die Schnellschreibschule. Heute: Wintereinbruch.


Ein dankbares Sujet sind Artikel, die man nicht nur vorfertigen kann, sondern auch jedes Jahr aufs Neue verwenden, ohne dass man sie groß überarbeiten braucht; ein Vorteil zum Beispiel gegenüber den zahlreichen Nachrufen die man für den Fall der Fälle ebenfalls schon bereithält. Ein Klassiker dieses Genres ist der Wintereinbruch, ein erstaunliches Ereignis, das stets von neuem eine Sensationsmeldung wert ist, wenn wir Mitteleuropäer von einem unbekannten Phänomen namens Schnee und Kälte überrascht werden.

NIX - seit 2000 Jahren eine Meldung wert: der Wintereinbruch.
Der Einleitungssatz ist ebenfalls klassisch:
Der überraschende/unerwartete frühe (September bis Mitte November)/ - (Mitte November bis Mitte Dezember)/ späte (Mitte Dezember bis Januar) Wintereinbruch im Norden/Süden/Osten/Westen/in weiten Teilen Deutschlands sorgte für Chaos und zahlreiche Verkehrsunfälle.

Verkehrsunfälle sind adäquate Zeilenfüller und auch für Photos immer sehr gut, den Vorwurf des Zynismus darf man getrost ignorieren, Informationspflicht geht vor. Also kombiniert man in (mindestens) einem Absatz zahlreiche Unfälle von Autobahnen über Innenstädte bis Bundesstrassen. Das erfordert keinen großen Arbeitsauwand und wenig Geschick, man klebt einfach mehrere Sätze aus Polizeiberichten zusammen. Hat auch den Vorteil, dass man nicht an Ort und Stelle sich einen Überblick verschaffen muss, bei den Straßenverhältnissen ist das ja nicht ungefährlich. 

Alternativen zu Verkehrsunfällen sind: eingebrochene Hausdächer (notfalls wenigstens Garagen-, Stall- oder Scheunen), umgestürzte Bäume (wenn nicht schon bei den Verkehrsunfällen verbraucht), Angabe der Schneehöhen, falls im Tal nicht zu spektakulär, dann auf die Zugspitze ausweichen ("bis zu 1,2m auf der Zugspitze"), Schulkinder die auf den Bus warten, außerdem sollte man gleich am ersten Tag auf mögliche Versorgungsengpässe aufmerksam machen, allein schon um zu rechtfertigen, warum man über eine jährlich wiederkehrende Banalität berichtet. 

Wichtiger Bestandteil ist ein Absatz über die Deutsche Bahn, möglichst zu beginnen mit einem "Auch bei der Deutschen Bahn...". Anschließend das übliche Aufzählen von Verspätungen und Zugausfällen. Nichts ist dem deutschen Leser so vertraut wie Häme über die DB, das macht folglich populär. Dies hat auch den Vorteil, dass man sich auf die Bahn in dieser Beziehung völlig verlassen kann und diese stets bereit ist, das Material alljährlich erneut zu liefern, vermutlich aus dem Grundsatz heraus, das auch schlechte Presse eben Presse sei. Sorgen muss sie sich also nicht machen und man selbst als Journalist ebensowenig. Eine gelungene Symbiose. Aufgrund des anhaltenden Erfolgs in den Medien hat die Bahn dieses Konzept offenkundig auch auf den Hochsommer ausgeweitet.  

Ist erst die Sensationsgier und das wohlige Gruseln befriedigt, kann man wieder philosophischer werden und sich erinnern, dass man ja mehr drauf hat als ein Protokolle verfassnder Autobahnpolizist. Also deutet man das frühe oder späte Auftauchen des Winters als eindeutiges Zeichen für oder gegen den Klimawandel. Kommt der Wintereinbruch ungelegenerweise zwischen Mitte November und Dezember, legt das die Variante "gegen den Klimawandel" näher, dies ist aber kein Muss, es sei denn man ist der USA-Korrespondent. Generell kommt es ohnehin nur darauf an, ob man sich als Warner vor Hysterie (gegen) oder vor Sorglosigkeit (für) gerieren möchte. Studien wird man zu beidem finden, da sie niemand liest, genügt es den Titel oder ein populäres Statement des Verfassers zu zitieren.

Letztlich ist das Wichtigste am Wintereinbruchartikel, das jeweils richtige Jahr einzusetzen. Da darf man nicht schludern, auch wenn es den meisten Lesern nicht auffallen wird. Die sind eh müde vom Schneeschippen.

Mittwoch, 21. November 2012

César Vallejo

Ein Mann geht vorbei

Ein Mann geht vorbei mit einem Brot auf der Schulter.
Wie soll ich da über mein Double schreiben?

Einer setzt sich hin, einer kratzt sich, fängt unterm Arm eine Laus, bringt sie um.
Was soll das Gerede über Psychanalyse?

Ein andrer ist mit einem Stock in meine Brust eingedrungen.
Soll ich mich vielleicht mit dem Arzt über Sokrates unterhalten?

Ein Holzbein kommt vorbei mit einem Kind an der Hand.
Was hilft es da, André Breton zu lesen?

Ein anderer zittert vor Kälte, hustet, spuckt Blut.
Ist da ein Hinweis auf das Ich an sich angebracht?

Noch einer sucht im Dreck nach Kartoffelschalen und Knochen.
Wie kann man da über das Unendliche schreiben?

Ein Maurer fällt vom Gerüst und hat seine letzte Semmel gegessen.
Und die Erneuerung der Tropik sowie der Metapher?

Ein Händler betrügt den Käufer um ein Gramm Gewicht.
Was soll uns das Geschwätz über die vierte Dimension?

Ein Bankier fälscht seine Bilanz.
Und da gibt es Gesichter, die weinen im Schauspielhaus.

Ein Paria schläft mit dem Fuß auf dem Rücken.
Sollen wir miteinander über Picasso reden?

Irgend jemand geht schluchzend zu einem Begräbnis.
Wie ist es möglich, gewählt zu werden in die Akademie?

Einer putzt sein Gewehr in der Küche.
Welchen Wert hat es da, von Jenseits zu sprechen?

Einer geht vorbei und rechnet mit seinen Fingern.
Ist es möglich, das Nicht-Ich zu erwähnen, ohne zu schreien?

César Vallejo (1895-1938)






 










Sonntag, 21. Oktober 2012

Endlich! Die spektakulärsten Erbfälle - Buchtipp des Monats


Endlich ist es soweit:

Endlich! Die spektakulärsten Erbfälle
ist erschienen!

Das Buch kostet 19,95 Euro, hier die Daten:
224 Seiten, ca. 25 Abbildungen, Format 14,3 x 22,3 cm, Hardcover mit Schutzumschlag
ISBN-13: 978-3-7658-1906-3

und der link zum Verlag:
http://www.bucher-verlag.de/titel-81906-endlich_die_spektakulaersten_erbfaelle_134.html

oder zu den Herren von amazon:
http://www.amazon.de/Endlich-spektakul%C3%A4rsten-Erbf%C3%A4lle-Benedikt-Grimmler/dp/3765819069/ref=wl_it_dp_o_pC_S_nC?ie=UTF8&colid=3RN7Y1H1EPGNJ&coliid=IC73GRBHJAT4C

Aus dem Inhalt:

I. Der Thron ist leer, die Kasse voll oder Der König ist tot, es lebe der König!
Es kann nur einen geben – Alexander der Große
Beruf: Kaisersohn – Commodus
Wie man seinen eigenen Nachfolger vergeblich ausbootet – Theodahad
Arm an Geist aber reich an Geld? – Kaiser Ferdinand I. von Österreich
Ein falscher Erbe? – Kaspar Hauser

II. Schrecklich unnette Familien oder Die liebe Verwandtschaft
Der Eiertanz der Familie Columbus
Geld allein macht auch nicht glücklich – Familie Wittgenstein
Die Erben des Adolf H., Diktator
Mann, Mann, Mann – Verfall einer Familie?

III. Die Kunst des Erbens oder Genie trifft Geld
Heinrich Heine starte eine Medienkampagne gegen seinen Vetter
Frau Förster und der letzte Wille zur Macht – Friedrich Nietzsche
Ich will doch nur, dass ihr mich liebt! – Rainer Werner Fassbinder
O sole mio und die Millionen – Luciano Pavarotti
Schwedische und amerikanische Erbkrimis – Stieg Larsson und Mrs Smith

IV. Geld will zu Geld oder In Gold I Trust
Reich, reicher, Fugger
Von Geldkönigen und Ölprinzen – John D. Rockefeller
Wenn der Vater mit dem Sohne – Walther Rathenau
Weide meine Lämmer – Giovanni Agnelli, König der Italiener
Eine Familie von Jägern und Sammlern – Die Dynastie Sachs
Weil ich es mir wert bin – Die Bettencourts

(c) B.Grimmler, Bucher Verlag. 


Freitag, 19. Oktober 2012

Juan Ramón Jiménez

Ich bin nicht ich 

Ich bin nicht ich.
Ich bin jener,
der an meiner Seite geht, ohne dass ich ihn erblicke,
den ich oft besuche,
und den ich oft vergesse.
Jener, der ruhig schweigt, wenn ich spreche,
der sanftmütig verzeiht, wenn ich hasse,
der umherschweift, wo ich nicht bin,
der aufrecht bleiben wird, wenn ich sterbe.  

Juan Ramón Jiménez (1881-1958),
Nobelpreis für Literatur 1956.

Sonntag, 7. Oktober 2012

Live-Ticker jetzt live!


Stefan Niggemeier hat in seiner wöchentlichen Medien-Kolumne im Spiegel (ja, schon wieder...) sich neulich noch darüber mokiert, dass seit neuestem der Live-Ticker im Online-Journalismus immer größere Verbreitung findet und dies zurecht mit einer Banalisierung gleichgesetzt.
Früher war das ein Instrument vornehmlich für Sportereignisse, sofern man keinen Zugang zu Radio oder Fernsehen hatte (oder es dort nicht übertragen wurde), irgendwann kam man auf die kuriose Idee auch Revolutions-Live-Ticker zu machen (spätestens im Arabischen Frühling trat diese Mode ein) - was mit Journalismus schon so gut wie nichts mehr zu tun hat, da man sich aufgrund des "live"-Charakters, der zusätzlich nicht erlaubt, lange Pausen (lange Texte schon gar nicht!) zu gestatten, als Lückenfüller mit Trivialitäten zu Wort melden und - besonderes Armutszeugnis - ungeprüfte Behauptungen über den Äther schicken musste.

Das ist ein grundsätzliches Problem, auf das jedoch zumeist nicht eingegangen wird (vermutlich würde es in solchen Fällen das ganze Unternehmen "live"-Ticker ad absurdum führen).
Anders absurd dagegen die gestrige Verlivetickerung der ersten "Wetten dass...?"-Sendung mit dem Moderator ohne Eigenschaften Markus Lanz... Der Nachrichtenwert dieses großartigen Ereignisses beschäftigte die online-Medien ja schon seit längerem und sicher noch einige Tage, eine freiwillige Werbung, über die sich das ZDF bestimmt freuen dürfte. Aber an wen richtet sich dieser ungemein aufschlussreiche Live-Ticker eigentlich, dem spiegel-online den obersten Nachrichtenplatz am Abend einräumte, auf den aber auch die gediegenere Süddeutsche Zeitung keinesfalls verzichten konnte? "Wetten dass...?"-Enthusiasten ohne Fernsehgerät? Die vielen Schwiegermütter, aus denen sich die Anhängerschaft Markus Lanz' zusammensetzt (und deren hohe Internetaffinität bekanntlich extrem hoch ist)?
Die TV-losen mussten also auf den Rechner ausweichen - und mit Live-Streams sind sie offenkundig nicht vertraut (oder der Computer zu lahm), weshalb sie sich auf den spannenden Ticker verlassen mussten, der ihnen sogar die Qual der Wahl auferlegte...spiegel-online und Süddeutsche waren bestimmt nicht die einzigen mit dieser hilfreichen Einrichtung...

Vielleicht gilt dieser Service aber auch einfah nur Leuten ohne Meinung, die - auch falls sie selbst die Sendung sehen können - gleichzeitig wissen möchten, was sie von der Sendung zu halten haben...     

Donnerstag, 4. Oktober 2012

Schüsse auf Frauen und Kinder

Unter der Überschrift Tödliche Schüsse auf Frauen und Kinder hat der Spiegel in seiner Ausgabe30 vom 23.07.2012 im Panorama des Wissenschaftsressorts über eine Kurzmeldung über eine Studie amerikanischer Wissenschaftler berichtet, die sich - statistisch - mit den unschuldigen Opfern von Querschlägern und Abprallern (engl. ricochets) beschäftigt, die durch den Schusswaffengebrauch in den USA entstehen.

Dabei wird angemerkt, dass es pro Jahr zu etwa 30000 solcher Opfer komme, die durch abgelenkte oder verfehlte Schüsse getroffen würden, "fast ein Drittel von ihnen sind Kindern, 45 Prozent weiblich", so zitiert der Spiegel die Studie. Bei einer Bevölkerung von gut 300 Millionen Einwohnern ist das eine trotz allem sehr hohe Anzahl von Personen, die allein von dieser besonderen Art von Unfällen (dazu gehören nicht einmal diejenigen Besitzer, die beim Reinigen ihrerWaffe sich oder andere tödlich verletzen) betrofen sind. Die Erkenntnis dieser Untersuchungen wird vermutlich wie immer zu nichts führen - als Fortschritt muss man es ja bereits betrachten, wenn ein amerikanischer Präsident der Waffenindustrie und ihrer Lobby nicht durch freundliche Gesetze entgegenkommt, sondern lediglich den status quo wahrt, so dass es nicht noch schlimmer wird.

Trotzdem gibt die Meldung auf ganz andere Art und Weise zu denken. Ob dies nun eine Folge der journalistischen Aufbereitung ist oder bereits in der Studie angelegt, muss offen bleiben, doch verwundert nach gründlicherem Nachdenken die Aufteilung der Opfer in Kinder und Frauen, beziehungsweise deren gesonderte Erwähnung. Sicher, Kinder und Frauen gelten als besondere Opfer, da sie für gewöhnlich an bewaffneten Auseinandersetzungen nicht aktiv beteiligt (letztere in besonderen Berufen ausgenommen) und auch die zivilen Waffenbesitzer wohl überwiegend Männer sind.
Doch der Rückschluss, dass sie als Opfer von Querschlägern besonders "unschuldig" sind, ergibt sich daraus nicht - wie auch? Es geht hier um Unfälle. Diese geschehen, so seltsam dies klingt, nach dem Zufallsprinzip, so kommt letztlich die kaum verwunderliche Zahl von 45% zustande, also ungefähr der Hälfte der Bevölkerung, wie es eben dem statistischen Wert entspricht.
Die zufällig getroffenen Männer sind folglich nicht mehr oder weniger schuldig, es sei denn, man beruft sich auf einen völlig verqueren Sexismus. Bedauerlich ist es, dass durch den freien Waffenverkauf soviele unbeteiligte Opfer gefordert werden - aber es ist gänzlich egal, ob es sich dabei um Frauen, Kinder oder Männer handelt. Letztere sind und können nicht schuldiger sein als die anderen reinen Unfalltoten.
Das wäre so, als würde man die männlichen Verkehrstoten weniger betrauern, weil die meisten Fahrzeugingenieure (noch immer) Männer sind. Man kann mit einer falsch verstandenen Emanzipationshaltung auch in dumpfe Fallen tappen und das an und für sich zu befürwortende Anliegen ins Absurde führen - geholfen ist damit niemand.

    

Sonntag, 23. September 2012

Vielleicht Attila Joszef


Vielleicht werde ich plötzlich verschwinden

Vielleicht, wie eine Tierspur in den Wäldern,
werd ich auf einmal plötzlich verschwinden.
Eines Tages muss ich Rechenschaft ablegen.
Was ich besaß, verging mit den Winden.

Der Kinderleib, der einer Knospe glich,
ward in bittrem Rauch gedörrt und ist verwittert.
Wenn ich zurückschau auf das, was mein Leben war,
fühl ich, wie der Verstand mich verlässt und das Herz mir erzittert.

Die Gier hat ihren Reißzahn in mein Fleisch geschlagen.
Zu früh spürte ich sie in meinem Mark brennen.
Dann kam die Reue und ich sagte mir:
warum hast du nicht zehn Jahre warten können.

Meine Mutter redete mir zu, und ich wollte
sie grad nicht verstehen und gab auf sie nicht acht,
dann war ich Waise, schlecht oder gar nicht geliebt,
und hab mich auch über meine Lehrer lustig gemacht.

Du, meine Jugend,bist wie ein grüner Wald gewesen,
endlos schienst du zu sein und ewig zu dauern.
Jetzt hör ich weinend auf den Wind und hör ihn im
trocknen Geäst, aus dem jedes Blatt fiel, schauern. 


Attila Joszef 
(1905-1937)

  


Donnerstag, 13. September 2012

Die neue Waschmaschine von Miele! Miele 5.


Mir ist nicht ganz klar, warum sich die - deutsche, aber vermutlich nicht nur diese - Journaille (und in diesem Fall darf man den abwertenden Begriff getrost verwenden, da ihn sich auch der so genannte "Qualitätsjournalismus" redlich verdient hat) zum Werbeträger der ohnehin teuersten Firma der Welt macht, beziehungsweise dazu einspannen lässt. 
Bei spiegel-online war die Verkündigung des neuen iPhone 5 gestern abend sogar die Top-Meldung, auch die sonst gemäßigtere Süddeutsche Zeitung hat dieser offenkundigen Offenbarung einen hohem Rang in den Schlagzeilen eingeräumt - und heute ist dies auf beiden Seiten immer noch der Fall, nun diskutiert man die Vorteile und Nachteile und das Design und die Innovation und ob dies nun Zeichen von Kontinuität oder Verfall bei Apple ist...

Tja, pfeift doch auf die Euro-Krise, solange wir mit unserem letzten Geld noch das neueste Apple-Teil post mortem aus der Hand des vergöttlichten Jobs empfangen können - aber das bleibt schließlich jedem selbst überlassen. Ob das Gerät schlecht oder toll ist, kann und will ich nicht beurteilen, es ist mir auch egal. Das hierüber berichtet wird, von mir aus - in einer Fachzeitschrift.

Dass sich viele Medien aber freiwillig zum Pressesprecher eines noch dazu oft fragwürdig agierenden Konzerns herablassen, ist für mich nicht nachvollziehbar. Vor allem fehlt mir hierfür die Begründung. Ich weiß nicht wieviel iPhone-Besitzer es in Deutschland gibt, es werden aber sicherlich wesentlich weniger sein als Waschmaschinen-, Fernseh- oder sogar Rasenmäherbesitzer (leider!). Trotzdem wird uns weder der Spiegel, noch die SZ noch die ARD oder sonstwer die vielleicht nicht weniger innovativen Meisterwerke dieser Firmen als Schlagzeilen anpreisen, obwohl es deutlich mehr Menschen betrifft. Und Miele, Loewe oder Stihl für solche Reklame sicher sehr dankbar wären - besonders über die suggerierte Notwendigkeit, sein Gerät alle paar Jahre einfach wegzuwerfen, obwohl es noch funktioniert.

Aber vielleicht hat Miele wenigstens eine eigene App, die über die neuesten Spülvorgänge informiert - gegen eine kleine Gebühr bei Apple natürlich...   

...oder ich hab einfach nicht recht und muss Abbitte leisten, schließlich weiß Der Postillon dann doch einiges mehr:
http://www.der-postillon.com/2012/09/hype-gerechtfertigt-neues-iphone-5.html





Montag, 3. September 2012

Un grand sommeil noir


Un grand sommeil noir
Tombe sur ma vie :
Dormez, tout espoir,
Dormez, toute envie !

Je ne vois plus rien,
Je perds la mémoire
Du mal et du bien...
O la triste histoire !

Je suis un berceau
Qu'une main balance
Au creux d'un caveau :
Silence, silence !

Paul Verlaine - 1844-1896

Montag, 27. August 2012

Pussy Riot

Für alle, dies es noch nicht gesehen haben, hier das Video zum Auftritt der Pussy Riots, vor dem sich der Herr Putin und seine Kremlfreunde fürchten: 




Auch ein schönes Beispiel dafür, was Kunst in der Lage ist zu leisten, an die Adresse all derer, die lediglich einen verächtlichen Blick übrighaben für die Brotlosen und Orchideenzüchter - meistens kommt das ja aus der Ecke derjenigen, denen es egal ist, unter welchem Regime sie ihr Geld verdienen... In jedem Fall haben eine Band wie Pussy Riot und ein Künstler wie Ai Weiwei auf ihre Art mehr bewegt und ihren Staat mehr unter Druck gesetzt als all die netten Solidaritätsbekundungen, die gleich den Rückzieher, man dürfe natürlich der eigenen Wirtschaft nicht schaden, mithinterschicken. Und dem Vorwurf, dies sei trotz allem eine Geschmacklosigkeit gegenüber der Kirche, kann man getrost entgegenhalten, dass es - auch für jeden Gläubigen - die weitaus größere Geschmacklosigkeit ist, sich mit einer Diktatur zu verbandeln. 
Sicher ist das nicht der Gipfel den Hochkunst, den die Damen hier erklommen haben, weder in Text noch in der Musik (was aber für den guten Punk bei uns auch galt und gilt), anders als Ai Weiwei etwa, aber das ist ziemlich egal, denn vor allem gehört dazu eine gehörige Portion Mut, wie das Gerichtsverfahren nun ja bestens bewiesen hat. Es wird sich zeigen, wie lange das westliche Interesse anhält, je länger die Frauen im Straflager sitzen.

Kleiner Nebenschauplatz: Die Berichterstattung des Spiegel zum Thema (immerhin die Titelgeschichte) ist mal wieder bezeichnend für das Treiben des Oberfeuilletonschreiberlings Georg Diez, dessen ja immer unglaublich uneitles Wesen sich gern mit sexistischen Bemerkungen mischt, als Einleitung zum von ihm geführten Interview mit dem Gatten der Verurteilten Nadeschda Tolokonnikowa beschreibt er, den berechtigten Vorwurf pseudoschlau vorwegnehmen wollend, von der auch, wenn das womöglich sexistisch klingt, hübschesten der drei berühmten Gefangenen. Nein, das klingt nicht womöglich sexistisch, es ist schlicht und ergreifend sexistisch - und noch dazu völlig irrelevant für das gesamte Thema, eine Frechheit gegenüber den anderen Bandmitgliedern und noch dazu ein bisschen dumm im Zusammenhang mit einer feministischen Punkband. Naja, einige Seiten später schreibt selbiger Diez in einem Bericht über Janine de Giovanni diese habe sinnliche Lippen - was ähnlich tiefgründige Erkenntnisse offenbart über ihren Beruf als Kriegsreporterin. Revolution muss eben sexy sein, verkündet...Georg Diez. Tja, armer Ai Weiwei...

Sonntag, 19. August 2012

Kurt Schwitters baselt

Kurt Schwitters (1887-1948)
hat in seiner unnachahmlichen Art ein recht hübsches Gedicht auf Basel verfasst, sicher nicht der Höhepunkt deutscher Dichtkunst, aber dafür unterhaltsam und zum Tüfteln über manche Anspielungen für Baselkenner.

Basler Münster  (c) BG
Basel

Es geht ein bißchen rauf,
es geht ein bißchen runter,
dazwischen fließt der Rhein.
Grün soll das Wasser sein.
Wenns regnet stürmt und schneit,
dann ist es braun,
braun anzuschaun.
Verhältnismäßig drückend föhnt der Föhn,
es brodelt tief im Grunde,
darüber eine Stadt,
die Basels Name trägt und hat.
Dort lint es Böck,
dort beint es Hol,
es waldet grün und witzt.
Der Ritter sticht den Wurm,
am Turm.
Die Kirche aus Zement
ist Mosers hohe Zeit.
Es brennt,
wenn's brennt,
im Kleid.
Der Frauen holder Chor
lächelt dem Tor.
Mann, sieh dich vor!

Dienstag, 14. August 2012

Julie Delpy spricht...

Schon vor ein paar Wochen hat Julie Delpy im KulturSpiegel ein interessantes Interview gegeben, in dem sie über ihren neuen Film - respektive ihre neuen Filme - spricht und da deutsche Journalisten gerne internationale Gäste im Sinne der Heimeligkeit nach deren Meinung zu deutschen Themen fragen, was selten zu tiefgründigen Erkenntnissen führt, überrascht Mme Delpy mit immerhin doch sehr überlegenswerten Antworten.

Ob man ihr eine tiefere Kenntnis der deutschen Verhältnisse unterstellen darf, sei - trotz des rechtsrheinischen Freundes - einmal dahingestellt, trotz Nachbarschaft ist das Wissen über l'Allemagne nicht sonderlich ausgeprägt, Schauspielerkollegin Juliette Binoche hat jüngst eine Frage nach ihren Kenntnissen eines guten zeitgenössischen ddeutschen Films so beantwortet:
"(überlegt länger) Da gab es doch einen großartigen Regisseur bei Euch, der hieß Fassbinder". Nachzulesen hier: http://suite101.de/article/interview-mit-juliette-binoche-ich-will-bescheiden-bleiben-a124199
Das spricht eindeutig für den Geschmack Juliette Binoches, aber nicht gerade für eine starke Aufmerksamkeit ihrerseits gegenüber deutscher Filmkunst und vielleicht noch viel mehr gegen diese selbst.

Doch zurück zu Julie Delpy und ihren Bemerkungen zur deutschen Politik, insbesondere zur "Herdprämie" alias Betreuungsgeld - die sie für eine artverwandte Idee von Marine le Pen hält... Das spricht sicher nicht gegen Julie Delpy, genausowenig wie ihr offenkundiges Erstaunen über die Tatsache, dass dies überhaupt bei uns diskutiert wird. Denn darüber muss schließlich jeder in Erstaunen geraten, jenseits und diesseits des Rheins - nur offenbar nicht südlich der Donau...

Als Freundin klarer Worte hält sie sich auch nicht mit ihrer Meinung über die vermeintliche Liberalität Hollywoods zurück - auch das nur zu unterschreiben:
"Es gibt viele Liberale in Hollywood, aber deren Idee von Liberalität ist nicht meine. Die halten es für liberal, Frauen zu zeigen, die ständig mit neuen Männern ins Bett steigen. Die finden "Sex and the City" liberal. Dabei geht es da nur um Frauen, die so oberflächlich wie Scheiße sind. Das ist das Gegenteil von liberal, das ist nur dämlich."

Womit sie gleich noch mal ein Cliché über sich selbst mit beiseite räumt, nämlich das der ätherischen zerbrechlichen Künstlerin.Auch diese Einordnung ist folglich oberflächlich wie Scheiße. Im Gegensatz zu ihren Antworten. Hier das komplette Interview:
http://www.spiegel.de/spiegel/kulturspiegel/d-86519335.html 

Samstag, 11. August 2012

Langston Hughes und Abe Lincoln


Ob man Gedichte übersetzen kann, ist eine langwierige und alte Diskussion, die bei den meisten Debatten auf das Ergebnis hinausläuft, nein, aber man muss - schließlich möchte man den Lesern außerhalb der Sprache die Lyrik nicht vorenthalten. Der beste Kompromiss sind dann zweisprachige Ausgaben (ein guter Kompromiss, der wie alle guten Kompromisse der Angefaultheit nicht entbehrt, da man schließlich trotzdem nur etwas davon hat, wenn man die Originalsprache versteht).

In Enzensbergers legendärer Sammlung mit dem wunderbaren Titel Museum der modernen Poesie - inzwischen schon unglaubliche 52 Jahre alt - hat man sich diese Mühe leider gespart...dabei liefert gerade diese so lobenswerte Anthologie mit einer netten Stilblüte das beste Argument für mehrsprachige Ausgaben.

Dort gibt es eine Strophe aus dem Gedicht Langston Hughes' The Negro speaks of Rivers, seltsam genug übersetzt mit Der Neger spricht von den großen Strömen - nicht wegen des heute sicher vermiedenen "Negers" (wie gesagt stammt das Museum von 1960), sondern des Aufblasens der Rivers zu "großen Strömen"...doch wie und warum auch immer, schön liest sich dies hier:

Ich vernahm das Rauschen des Mississippi, als Abe Libcoln 
hinunter fuhr nach New Orleans, und ich habe gesehen,
wie seine schlammige Brust sich im Abendrot golden färbte.  

Das Ganze ist natürlich ein Fünftklässlerfehler, worüber man sich aber nur noch mehr wundert. Der Vergleich mit dem Original zeigt schnell, wie der arme Abe zu seiner Schlammbrust kommt, wobei das Bild, wie Lincolns Brust sich beim Hinunterfahren nach New Orleans im Abendrot golden einfärbt, schon auch etwas sehr Einprägsames hat...

I heard the singing of the Mississippi when Abe Lincoln 
went down to New Orleans, and I've seen 
its muddy bosom turn all golden in the sunset.
 

Mittwoch, 8. August 2012

Chris Marker

Der französische Regisseur mit dem Namen, den jeder falsch ausspricht, wenn er ihn das erste Mal liest, Chris Marker, ist letzte Woche verstorben. Der Name ist nur ein Pseudonym, aber da er es liebte, über seine Herkunft zu geheimsen - und dies ziemlich erfolgreich - wurde aus Christian François Bouche-Villeneuve eben Chris Marker... Kurios auch, dass er gerade an seinem 91. Geburtstag (29.Juli) das Zeitliche gesegnet hat.

Die Libération hat dazu ein sehr gelungenes Titelbild herausgebracht - das allerdings wegen der Überschrift etwas umstritten war, offenkundig störte sich mancher an der Kombination von "Marker" und "aus/verwischen" und hielt dies für ein gerade angesichts des Anlasses dümmliches Wortspiel...das sich aber im Französischen nicht sehr aufdrängt. Dass er Marker hieß lässt sich schließlich kaum ändern und "s'effacer" bedeutet eigentlich "vergehen" und ist somit ein sehr poetischer Ausdruck, der nicht nur Marker sehr angemessen ist, sondern auch zum langsamen Ausklang eines Filmes passt. Schade, dass diese Diskussion über den Text von dem wirklich großartigen Bild abgelenkt hat, das - natürlich ein Filmzitat - Melancholie und Ironie ziemlich klug verbindet. 



Seine Filme sind nicht weniger exzentrisch als die Heimlichtuerei über seine Jugend, aber nicht auf schrille, sondern auf die sehr leise Art, die intelligente Filme oft ausmacht - und es sind die seltenen Exemplare der Leinwand, auf die der Begriff poetisch zutrifft; was sehr anstrengend klingt, und auch etwas elitär. Beides ist nicht verkehrt, sollte aber niemanden davon abhalten, sich wenigstens versuchsweise darauf einzulassen. Elitär sind die Filme Markers nicht von einem vorneherein begründeten Anspruch her (also einer bewusst gewollten Ausgrenzung), sondern das ergibt sich wohl aus der Natur der Sache oder des Genres. In Kritiken - und wahrscheinlich jetzt auch in den Nachrufen - findet sich fast stets das Wort "einzigartig", das ist berechtigt und natürlich als Kompliment gemeint, das aber auch den kleinen Kreis mitbeinhaltet, denn er dadurch - leider - nur erreicht hat.
Marker ist wenn nicht der Begründer, so doch der - meiner Meinung nach - vollendetste Regisseur des Film-Essays, weit davon entfernt, irgendwelche Dokus zu drehen, sondern...nun, eben einen Essay, einen Versuch, ein Thema zu umkreisen. Einfach ist das nicht. Adäquat umschreiben lässt es sich auch nicht...allenfalls in einem...Essay.
Solch einen Film anzusehen, muss man sich vornehmen. Aber es geht einem dann vielleicht wie mit vor gut zehn Jahren, als ich Markers Sans Soleil gesehen hab - ich glaub, ich war selten so von einem Film beeindruckt, und ich hab bis auf den heutigen Tag einzelne Szenen noch immer im Kopf, mitsamt dem Gefühl, das ich damals beim Anschauen hatte. Die Giraffe, die sich angeschossen im Todeskampf windet, hab ich jedenfalls nicht mehr aus dem Gedächtnis bekommen, obwohl man sich ja fast täglich allerhand Grausameres ansehen muss. Und die Bemerkungen über den japanischen Horrorfilm... Dass der Titel des Films genial ist, muss ich gar nicht erwähnen.

Leider gibt es die Filme von Chris Marker bei uns nicht auf DVD, warum auch immer...Kulturnation; wobei es die Franzosen auch nicht besser machen, erstaunlicherweise sind es die Briten, die uns da voraus sind. Zumindest waren das die einzigen, die ich entdecken konnte. Möglicherweise ändert sich das nun mit dem Tod des Meisters.
Auf youtube gibt es immerhin zum Reinschmecken den englischen Trailer (mit spanischen Untertiteln...) zu Sans Soleil, der einen ersten Eindruck vermittelt, was man sich unter einem Film-Essay Markerscher Art vorzustellen hat:

Ein melancholisches Meisterwerk. Einzigartig heißt schließlich auch, das er keinen Nachfolger hat. Ein großer Künstler des 20.Jahrhunderts, aber auch ein großer Unbekannter.  

Freitag, 3. August 2012

L'Ennemi


L'Ennemi


Ma jeunesse ne fut qu'un ténébreux orage,
Traversé çà et là par de brillants soleils;
Le tonnerre et la pluie ont fait un tel ravage,
Qu'il reste en mon jardin bien peu de fruits vermeils.

Voilà que j'ai touché l'automne des idées,
Et qu'il faut employer la pelle et les râteaux
Pour rassembler à neuf les terres inondées,
Où l'eau creuse des trous grands comme des tombeaux.

Et qui sait si les fleurs nouvelles que je rêve
Trouveront dans ce sol lavé comme une grève
Le mystique aliment qui ferait leur vigueur?

— Ô douleur! ô douleur! Le Temps mange la vie,
Et l'obscur Ennemi qui nous ronge le coeur
Du sang que nous perdons croît et se fortifie!

Charles Baudelaire