Freitag, 22. Februar 2013

Grabinschrift einer Römerin.

Der Römerpark in Köngen, BW (c) BG

Grabinschrift für eine Römerin aus der Familie der Claudier, um 120 vor Christus

Fremder, was ich sage, ist wenig: bleib stehen und lies! Hier steht das nicht schöne Grabmal einer schönen Frau.
Mit Namen nannten sie die Eltern Claudia, mit ganzem Herzen liebte sie ihren Mann.
Söhne hat sie zwei geboren. Von ihnen läßt sie einen auf Erden zurück, den anderen hat sie unter der Erde geborgen. Von anmutiger Unterhaltung, dann auch noch biegsam im Gang, hat sie das Haus gehütet, Wollarbeiten verrichtet. Ich habe gesprochen. Gehe weiter!

Für eine Grabinschrift ziemlich lang und trotzdem liegt in der Kürze genug Würze, jedenfalls ist es ganz interessant und anschaulich, wie der Verfasser mit den wenigen durch den beengten Raum bedingten Worten ein Bild der Verstorbenen entwirft. Und welche Akzente er dabei setzt: traditionelle wie der Verweis auf die Kinder und ihre brave Zuneigung zum Gatten und überraschende wie die ihren biegsamen Gang und ihre offenbare Begabung für Wollarbeiten - beides, wie es scheint, sehr charakteristisch; und tatsächlich hinterlassen gerade diese kurios anmutenden Bemerkungen einen merk-würdigen Eindruck, was für einen Grabstein, der erinnern soll, wohl das Beste ist, was man über ihn sagen kann. 
Überraschend auch das fast abrupt unhöfliche "Ich habe gesprochen (und damit meine Pflicht gegenüber der Toten erfüllt). Gehe weiter!" Der Pragmatismus der Römer lässt nicht zu, so liebevoll verfasst die Inschrift auch sein mag und unterschwellig die Trauer der oder der Hinterbliebenen verrät, sich lange der Verzweiflung hinzugeben. Gehe weiter!