Sonntag, 19. Mai 2013

Georg Heym: Der Sonntag.


Der Sonntag

Unter den bauchigen Himmeln, die schwer,
Über den Totenacker der Felder gelegt,
Auf hohen Bergen aus Schutte bewegt
Sich die Wandrung der Menschen langsam einher,

Dicke Rücken, große Hüte, unförmlich und alt,
Manchmal behutsam ein riesiger Bauch.
Und hinter ihnen, groß, und verlassen vom Rauch,
Starret der Schornsteine schwarzer Wald.

Über verregnete Wege und Lachen voll Widerschein
Morschen Gewölkes setzen sie hinten ihr Storchenbein,
Ferner, in leere Fernen, und werden klein.

Hier und da, auseinander, wie Striche fein,
Irrend im öden Abend herum.
Und die Löcher der Wolken stehen wie Höhlen rundum. 


geschrieben im Oktober 1911 
(es existiert ein zweites Gedicht von Georg Heym mit dem Titel "Der Sonntag" vom Juli desselben Jahres, das allerdings keine frühere Version, sondern ein eigenständiges Sonett darstellt).


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen