Lektüremonat Oktober 2019
Louise
Erdrich: Solange du lebst.
Auf
einer abseits gelegenen Farm in North Dakota kommt es zu einem schrecklichen
Verbrechen: alle Mitglieder der Familie bis auf ein unentdeckt gebliebenes Baby
werden grausam ermordet. Eine Gruppe Indianer, die zufällig vorbeizieht, findet
die Leichen und das Kind, doch was tun? Ihnen ist klar, dass ihr Aufenthalt auf
dem Hof unweigerlich den Verdacht erwecken würde, für die Morde verantwortlich
zu sein. Und so kommt es auch: von einem Lynchmob, bestehend aus weißen
Siedlern überwiegend deutscher Herkunft, werden drei von den vieren spontan
gehängt. Bald ist klar, dass sie unschuldig waren, die Tat bleibt ebenso
ungesühnt wie der Mord an der Farmersfamilie ungeklärt. Ein Ereignis, das noch
in den nachfolgenden Generationen Auswirkungen hat. Denn schließlich muss man
auch weiterhin zusammenleben – und es wird den Nachgeborenen immer schwieriger,
eindeutige Schuldzuweisungen vorzunehmen, denn es entstehen weitere dunkle
Geheimnisse, aber auch eine Vermischung zwischen den Nachfahren der einstigen
Lynchmörder und der einst Getöteten. Louise Erdrich (geboren 1954) berichtet
vom Leben der französisch und katholisch geprägten Indianer in und am Reservat
in der niedergehenden amerikanischen Provinz und ihrem Zusammenleben mit den
Nachkommen deutscher Siedler – Erdrichs eigener familiärer Hintergrund, der
sie, wie gewohnt, vor jeglichem Ethnokitsch bewahrt, und den sie, ebenso wie
gewohnt, gekonnt mit starker erzählerischer Raffinesse in den Biographien der
Haupt- und Nebenfiguren verknüpft. Kuriosität mal wieder der deutsche Titel –
das Original hieß The Plague of Doves.
Molière:
Der eingebildete Kranke.
Bekanntlich
hat man es geschafft, wenn man nur noch mit Nachnamen genannt wird und jede*r
weiß, wer gemeint ist – Pech nur, wenn man Müller heißt (oder einen ebenso
berühmte Familienmitglieder, dass es nicht für ein einfaches „Mann“ reicht).
Bei Molière (1622-1673) ist dieser Prozess schon so weit fortgeschritten, dass
kaum noch jemand seinen Vornamen – Jean-Baptiste – geschweige denn seinen
Geburtsnamen Poquelin kennt. Dafür ist seine letzte Komödie „Der eingebildete
Kranke“ zumindest dem Titel nach selbst dem literarischen Laien ein Begriff.
Und man muss auch nicht unbedingt ein Hardcore-Theater-Fan sein, um diese
Komödie zu mögen, deren Themen ohnehin zeitunabhängig sind. Argan,
hypochondrischer Familienvater in zweiter Ehe, möchte seine Tochter
verheiraten. Der von ihm ausgewählte Schwiegersohn hat alle Vorzüge, er ist
doppelter zukünftiger Alleinerbe, Sohn seines Hausarztes und selbst
Medizinstudent. Ein Arzt ihm eigenen Haus, für Argan ein Traum. Dummerweise
sieht seine Tochter das leider gar nicht so, sie hat längst einen Geliebten und
weigert sich, das vorgesehene Arrangement einzugehen. Ihre Stiefmutter arbeitet
derweil daran, sie auch testamentarisch auszubooten und das vorzeitige Ableben
ihres Gatten, der ja schließlich allzu leicht von jeder Krankheit zu überzeugen
ist, gewinnbringend zu beschleunigen. Die Auflösung all dieser Verwicklungen
gelingt nur dank der klugen Dienerin Toinette, ein ebenso hübscher Einfall wie
die Molière-Beschimpfung im Stück durch niemand anderes als Argan selbst.
Thomas
Glavinic: Im Namen des Herrn.
Irgendwo
zwischen Roman und Erlebnisbericht ist Thomas Glavinic‘ (geboren 1972) Buch
angesiedelt, dass gleichzeitig wiederum als eine Art von soziologischem und
religionswissenschaftlichem – eher nicht theologischem – Experiment gestartet
wurde. Glavinic begleitet eine Pilgergruppe ins bosnische Medjugorje, dem
berühmten Wallfahrtsort einer umstrittenen Marienerscheinung. Der völlig
unreligiöse Glavinic macht erwartbare Erfahrungen mit seinen Mitreisenden,
überwiegend älteren, eher verschlossenen Personen, oft bereits
erfahrene Medjugorgje-Fahrer*innen, die sich ihm und seinem ebenfalls theologisch unbedarften Begleiter Ingo, einem Fotografen, eher zurückhaltend bis abweisend verhalten, selbst der Reiseleiter. Die Skurrilitäten der Busfahrt sind voraussehbar, zwar amüsant, aber nun nicht gerade originell, es ist immer ein bisschen wohlfeil, sich über den vermeintlichen religiösen Fanatismus oder seltsame Gebräuche lustig zu machen. Spannend und unterhaltsamer wird das Buch erst, als die ganze Pilgerfahrt aus dem Ruder läuft, Ingo ihren abrupten Abbruch fordert, Glavinic inzwischen von Angina und Fieber schwer angeschlagen durch Vermittlung seines Vaters für die Flucht sorgt und beide bei einem von dessen undurchschaubaren kroatischen Bekannten landen, der ihnen zu Ehren Partys und Wettschießen organisiert. Es wird Zeit, die nächste Flucht zu planen, nur ist ihr Gastgeber nicht ganz so leicht zu überreden wie die Pilgergruppe. Liest sich nett, wie immer bei Glavinic, aber so richtig überzeugend ist das Buch nicht, auch sehr lustig aufbereitete Clichés bleiben nun mal Clichés, seien es nun die von überdrehten Gläubigen oder von mafiösen Kroaten.
erfahrene Medjugorgje-Fahrer*innen, die sich ihm und seinem ebenfalls theologisch unbedarften Begleiter Ingo, einem Fotografen, eher zurückhaltend bis abweisend verhalten, selbst der Reiseleiter. Die Skurrilitäten der Busfahrt sind voraussehbar, zwar amüsant, aber nun nicht gerade originell, es ist immer ein bisschen wohlfeil, sich über den vermeintlichen religiösen Fanatismus oder seltsame Gebräuche lustig zu machen. Spannend und unterhaltsamer wird das Buch erst, als die ganze Pilgerfahrt aus dem Ruder läuft, Ingo ihren abrupten Abbruch fordert, Glavinic inzwischen von Angina und Fieber schwer angeschlagen durch Vermittlung seines Vaters für die Flucht sorgt und beide bei einem von dessen undurchschaubaren kroatischen Bekannten landen, der ihnen zu Ehren Partys und Wettschießen organisiert. Es wird Zeit, die nächste Flucht zu planen, nur ist ihr Gastgeber nicht ganz so leicht zu überreden wie die Pilgergruppe. Liest sich nett, wie immer bei Glavinic, aber so richtig überzeugend ist das Buch nicht, auch sehr lustig aufbereitete Clichés bleiben nun mal Clichés, seien es nun die von überdrehten Gläubigen oder von mafiösen Kroaten.
Sophokles:
König Ödipus.
Und
wieder zurück zu einem klassischen Drama, noch ein paar Jahrhunderte älter als
der gute Molière. Die Handlung ist bekannt: Ödipus wurde als Dank für die
Besiegung der Sphinx zum König von Theben ernannt, doch kaum ist das eine
Unheil von der Stadt abgewendet, tritt das nächste in Form unerklärlicher
Seuchen auf. Doch das befragte Orakel von Delphi weiß Rat: ein Mörder ist in
der Stadt, er muss vertrieben oder getötet werden, um die Plage zu beenden.
Ödipus leitet die nötigen Mittel ein: er will den Mörder finden, der seinen
Vorgänger Laios umgebracht hat, er verflucht ihn und stellt jeden unter Strafe,
der Wissen zurückhält. Doch die erst vorsichtigen, dann offenen Hinweise des
Sehers Teiresias, der ihn selbst als Täter entlarvt, wehrt er als Komplott
seines Schwagers Kreon ab. Doch die Hinweise, er selbst, Ödipus, habe einst
unwissend seinen Vater Laios erschlagen und später dessen frau geheiratet und mit
ihr Kinder gezeugt, verdichten sich bald zur Gewissheit. Jokaste, Ödipus‘ Frau
und Mutter, erhängt, ihr Mann und Sohn blendet sich und verlässt die Stadt. Wie
der Nachfolger „Antigone“ – der die Geschichte der Familie weitererzählt – ist
Sophokles Drama bis heute ein reiches Feld für Überlegungen über unentrinnbares
Schicksal, die Frage nach möglicher Schuld, die sich aus dieser Strafe der
Götter ergibt und die weniger in der Tat als in der Verblendung, die dann ja
buchstäblich wahr wird, diese nicht zu erkennen, liegt. Hat auch nach bald 2500
Jahren nichts von seiner Kraft verloren.
Anonymus:
Nächte der Seligkeit.
Und
noch ein Buch aus der Reihe „Heine Exquisit“ und wieder hat der Autor – wohl
eher keine Autorin – es nicht gewagt, seinen Namen unter dieses gewagte Werk zu
setzen, das um 1800 erstmals erschienen ist. Inhaltlich gibt es wenig zu
berichten, „Die Memoiren eines liebevollen Mönches“ entsprechen dann eher doch
Ecos Definition von Pornographie, die Handlung ist der Lebenslauf eines jungen
Mannes ungeklärter Herkunft, der keinen weiblichen Rock auslässt, vor allem
nicht innerfamiliär, dafür ins Kloster gesteckt wird, wo für ihn alles nur noch
viel, viel besser, denn gemäß dem zeitgenössischen Cliché gibt es schließlich
keinen verdorbeneren Stand als den der Priester und Klosterbrüder. Soweit, so
erwartbar. Überraschend ist dann allerdings das Ende des Romans – völlig
untypisch wird der junge Lüstling bestraft für seine Exzesse und zwar mit der
für ihn schlimmsten aller Höllen: durch Krankheit verliert er seinen
wichtigstes Körperteil. Angesichts des vorherigen wirkt dieser geradezu
moralische Schluss wie angeklebt. Zuflucht findet der Entmannte übrigens – im
Kloster.
Robert A. Heinlein: Straße des Ruhms.
Robert A. Heinlein (1907-1988) gehört zu den klassischen Autorem der US-amerikanischen Science-Fiction mit einem sehr umfangeichen Werk. Nun, "Straße des Ruhms" ist nicht unbedingt ein Zeugnis für den großen Ruf, den Heinlein genießt, zu seiner eigenen Straße des Ruhms kann der Roman wenig beitragen. Der Auftakt ist vielversprechend: Der junge E.C. Gordon, soeben aus Vietnam zurück, weiß wenig mit seiner wiedergewonnenen Freiheit anzufangen, er tingelt ein bisschen in Europa herum, verliert seinen Soldatenlohn, kann sich nicht zu einem Studium aufraffen. In Südfrankreich trifft er erst auf eine attraktive Hübsche, dann eine kuriose Zeitungsanzeige, die einen mutugen Abenteurer sucht. Gordon will sich das nur aus reiner Neugier kurz vor seiner Abfahrt noch schnell mal anschauen - doch siehe da: hinter der adresse steckt niemand anderes als die attraktive Hübsche. Die bringt ihn irgendwie in eine andere Welt und stellt ihn vor die Aufgabe, sich als Held zu beweisen, der einige Aufgaben zu lösen hat, an der bislang seine Vorgänger gescheitert sind. Begleitet vom diener Rufo geht es von einem Gefecht ins Andere mit bizarren Kreaturen. Der ausgang ist glücklich, Gordon heiratet die Hübsche, die sich als universale Kaiserin herausstelt, wird als arbeitsloser Held aber nichtso recht glücklich. Er kehrt erst einmal zur Erde zurück. Anfangs glaubt man sich in einem sehr kritischen Roman über Vietnamheimkehrer, geschrieben in einem schnoddrigen, desillusionierten Ton. Es wäre interessant gewesen, hätte Heinlein auf den Sci-Fi-Plot verzichtet und das leben seines "Helden" auf der erde weiterverfolgt - wobeo Heinlein mit Vorsicht zu genießen ist, auch in diesem Buch gibt es offen verächtliche Passagen über die Demokratie. Der Hauptteil, die Abenteuer, sind dann auch eher eine reine Männerphantasie, die Kämpfe zudem nur leidlich spannend - da der Ausgang ohnehin klar ist, noch dazu dadurch bedingt, dass Gordon ein Ich-Erzähler ist, folglich kaum sterben wird - was folgt, die Erklärung der ganzen Mission, ist noch dazu reichlich zäh und mäßig fantasievoll. Stellenweise durchaus amüsant, aber auf die Dauer mit Längen.
Richard Ford: Rock Springs.
Es sind Städte der Arbeiterstaaten im Norden der USA, die der grosse Romancier Richard Ford (geboren 1944) zum Schauplatz seiner Short Stories gewählt hat, manchmal auch deren ländliche Umgebung. Die Protagonisten sind Männer mit biographischen Brüchen, häufig wechselnden Arbeits- und Wohnorten, gescheiterten Beziehungen und nicht selten der ein oder anderen Haftstrafe. Ihnen stehen zumeist Frauen gegenüber, denen das Glück auch nicht gerade hold gewesen ist, die kaum Illusionen, sich aber einen Rest Unabhängigkeit bewahrt haben. So kann es gut sein, dass sie nicht mehr auf die Träumereien ihres Partners vertrauen, und ihn, wie in der Titelgeschichte, inmitten seiner Fluchtphantasien verlassen. Den Geschichten ist fast allen eine beklemmende Atmosphäre eigen, die sich weniger aus einer äußeren Tristesse ergibt, sondern aus den aneinander vorbei laufenden Gesprächen, dem sinnlosen Handeln und dem Gefühl des absolut unveränderlichen Stillstands. Dies alles fängt Ford zwar ein, an die Wucht seiner Romane kommen die Short Stories aber nicht heran; gehören doch erstere zum Besten, was die zeitgenössische US-amerikanische Literatur zu bieten hat.
Friedrich Glauser: Krock & Co.
Lange bevor es zu der Literaturschwemme kam, die jedem Hinterlandstädtchen einen Kommissar und vermeintlich spleenige Ermittlertypen mit Borderline-Syndrom brachte, hatte Friedrich Glauser (1896-1938) mit seinem Wachtmeister Studer, Sitz in Bern, eine Schweizer Institution geschaffen, die heute öffentliches helvetisches Kulturgut ist. Der väterliche, kauzig eigenwillige, von persönlichen Schwächen nicht freie Studer wurde zum Vorbild zahlreicher literatur- und Fernsehkriminalisten. Bedächtig klug ermittelnd, auf das Gespräch und seine Intuition ebenso vertrauend wie auf neueste technische Methoden, überführt Studer seine Verdächtigen vor allem durch das In-Sie-Hineinversetzen. Im vorliegenden Fall auf fremdem Territorium, in Appenzell, muss Studer sich mit einem Mord befassen, dessen Täter allzu offensichtlich erscheint: da das Opfer mit einer angespitzten Fahrradspeiche gemeuchelt wurde, fällt der Verdacht sofort auf den eifersüchtigen Velo-Händler Ernst Graf. Das ist Studer etwas zu einfach - tatsächlich offenbaren seine Ermittlungen ein Verbrechen mit langer Vorgeschichte, dessen Wurzeln in internationaler Wirtschaftskriminalität liegen. Glauser ist weit entfernt vom Heimatkrimi mit Mord in schöner Landschaft. Action uns spektakuläre Überrashungen liegen ihm ebenfalls fern, ihn interessiert die menschliche Verführbarkeit. Hochdeutsche Leser*innen werden so ihre Schwierigkeiten mit den helvetismen haben, erst recht aber mit den schwyzerdütschen Dialogen; davon sollte man sich aber keineswegs abhalten lassen.
Helmut Krausser: Fette Welt.
Ein Frühwerk - trotzdem Teil III einer Trilogie über den Protagonisten Hagen Trinker - aus der Feder Helmut Kraussers (geboren 1964), geschrieben am Ende der 1980er Jahre. Trinker ist inzischen herabgekommen zum Obdachlosen, der letzte Verbindungen zu seinem früheren OLeben mehr oder weniger freiwillig kappt. Im feinen München ist das Leben der Clique von Nichtsesshaften, der er sich lose angeschlossen hat, nicht gerade einfach, da allseits unerwünscht. Immerhin herrscht unter den "Pennern" eine - wenn auch fragile - Solidarität und ein loser Ehrenkodex. Für Hagen ändert sich einiges mit dem Auftauchen der 16jährigen Ausreißerin Judith, in die er sich verliebt, die er aber, als beide verhaftet werden, aus den Augen verliert. Sein kurzzeitiger Versuch, sich auf "anständige" Weise - in einem Beerdigungsinstitut - Geld zu verdienen, um sich auf die Suche nach Judith begeben zu können, scheitert. An Geld, wenn auch auf weniger ehrliche Art, und nach langem vergeblichen Suchen auch an Judith kommt er schließlich trotzdem. Noch sehr frühwerklich-jugendlich wirkt dieser Roman, inhaltlich wie sprachlich Bukowiski nacheifernd, doch weit von diesem entfernt, auch die Psychologie - schlimme Kindheit! - wurde nicht neu erfunden. hin und wieder nett, mehr nicht.
Robert A. Heinlein: Straße des Ruhms.
Robert A. Heinlein (1907-1988) gehört zu den klassischen Autorem der US-amerikanischen Science-Fiction mit einem sehr umfangeichen Werk. Nun, "Straße des Ruhms" ist nicht unbedingt ein Zeugnis für den großen Ruf, den Heinlein genießt, zu seiner eigenen Straße des Ruhms kann der Roman wenig beitragen. Der Auftakt ist vielversprechend: Der junge E.C. Gordon, soeben aus Vietnam zurück, weiß wenig mit seiner wiedergewonnenen Freiheit anzufangen, er tingelt ein bisschen in Europa herum, verliert seinen Soldatenlohn, kann sich nicht zu einem Studium aufraffen. In Südfrankreich trifft er erst auf eine attraktive Hübsche, dann eine kuriose Zeitungsanzeige, die einen mutugen Abenteurer sucht. Gordon will sich das nur aus reiner Neugier kurz vor seiner Abfahrt noch schnell mal anschauen - doch siehe da: hinter der adresse steckt niemand anderes als die attraktive Hübsche. Die bringt ihn irgendwie in eine andere Welt und stellt ihn vor die Aufgabe, sich als Held zu beweisen, der einige Aufgaben zu lösen hat, an der bislang seine Vorgänger gescheitert sind. Begleitet vom diener Rufo geht es von einem Gefecht ins Andere mit bizarren Kreaturen. Der ausgang ist glücklich, Gordon heiratet die Hübsche, die sich als universale Kaiserin herausstelt, wird als arbeitsloser Held aber nichtso recht glücklich. Er kehrt erst einmal zur Erde zurück. Anfangs glaubt man sich in einem sehr kritischen Roman über Vietnamheimkehrer, geschrieben in einem schnoddrigen, desillusionierten Ton. Es wäre interessant gewesen, hätte Heinlein auf den Sci-Fi-Plot verzichtet und das leben seines "Helden" auf der erde weiterverfolgt - wobeo Heinlein mit Vorsicht zu genießen ist, auch in diesem Buch gibt es offen verächtliche Passagen über die Demokratie. Der Hauptteil, die Abenteuer, sind dann auch eher eine reine Männerphantasie, die Kämpfe zudem nur leidlich spannend - da der Ausgang ohnehin klar ist, noch dazu dadurch bedingt, dass Gordon ein Ich-Erzähler ist, folglich kaum sterben wird - was folgt, die Erklärung der ganzen Mission, ist noch dazu reichlich zäh und mäßig fantasievoll. Stellenweise durchaus amüsant, aber auf die Dauer mit Längen.
Richard Ford: Rock Springs.
Es sind Städte der Arbeiterstaaten im Norden der USA, die der grosse Romancier Richard Ford (geboren 1944) zum Schauplatz seiner Short Stories gewählt hat, manchmal auch deren ländliche Umgebung. Die Protagonisten sind Männer mit biographischen Brüchen, häufig wechselnden Arbeits- und Wohnorten, gescheiterten Beziehungen und nicht selten der ein oder anderen Haftstrafe. Ihnen stehen zumeist Frauen gegenüber, denen das Glück auch nicht gerade hold gewesen ist, die kaum Illusionen, sich aber einen Rest Unabhängigkeit bewahrt haben. So kann es gut sein, dass sie nicht mehr auf die Träumereien ihres Partners vertrauen, und ihn, wie in der Titelgeschichte, inmitten seiner Fluchtphantasien verlassen. Den Geschichten ist fast allen eine beklemmende Atmosphäre eigen, die sich weniger aus einer äußeren Tristesse ergibt, sondern aus den aneinander vorbei laufenden Gesprächen, dem sinnlosen Handeln und dem Gefühl des absolut unveränderlichen Stillstands. Dies alles fängt Ford zwar ein, an die Wucht seiner Romane kommen die Short Stories aber nicht heran; gehören doch erstere zum Besten, was die zeitgenössische US-amerikanische Literatur zu bieten hat.
Friedrich Glauser: Krock & Co.
Lange bevor es zu der Literaturschwemme kam, die jedem Hinterlandstädtchen einen Kommissar und vermeintlich spleenige Ermittlertypen mit Borderline-Syndrom brachte, hatte Friedrich Glauser (1896-1938) mit seinem Wachtmeister Studer, Sitz in Bern, eine Schweizer Institution geschaffen, die heute öffentliches helvetisches Kulturgut ist. Der väterliche, kauzig eigenwillige, von persönlichen Schwächen nicht freie Studer wurde zum Vorbild zahlreicher literatur- und Fernsehkriminalisten. Bedächtig klug ermittelnd, auf das Gespräch und seine Intuition ebenso vertrauend wie auf neueste technische Methoden, überführt Studer seine Verdächtigen vor allem durch das In-Sie-Hineinversetzen. Im vorliegenden Fall auf fremdem Territorium, in Appenzell, muss Studer sich mit einem Mord befassen, dessen Täter allzu offensichtlich erscheint: da das Opfer mit einer angespitzten Fahrradspeiche gemeuchelt wurde, fällt der Verdacht sofort auf den eifersüchtigen Velo-Händler Ernst Graf. Das ist Studer etwas zu einfach - tatsächlich offenbaren seine Ermittlungen ein Verbrechen mit langer Vorgeschichte, dessen Wurzeln in internationaler Wirtschaftskriminalität liegen. Glauser ist weit entfernt vom Heimatkrimi mit Mord in schöner Landschaft. Action uns spektakuläre Überrashungen liegen ihm ebenfalls fern, ihn interessiert die menschliche Verführbarkeit. Hochdeutsche Leser*innen werden so ihre Schwierigkeiten mit den helvetismen haben, erst recht aber mit den schwyzerdütschen Dialogen; davon sollte man sich aber keineswegs abhalten lassen.
Helmut Krausser: Fette Welt.
Ein Frühwerk - trotzdem Teil III einer Trilogie über den Protagonisten Hagen Trinker - aus der Feder Helmut Kraussers (geboren 1964), geschrieben am Ende der 1980er Jahre. Trinker ist inzischen herabgekommen zum Obdachlosen, der letzte Verbindungen zu seinem früheren OLeben mehr oder weniger freiwillig kappt. Im feinen München ist das Leben der Clique von Nichtsesshaften, der er sich lose angeschlossen hat, nicht gerade einfach, da allseits unerwünscht. Immerhin herrscht unter den "Pennern" eine - wenn auch fragile - Solidarität und ein loser Ehrenkodex. Für Hagen ändert sich einiges mit dem Auftauchen der 16jährigen Ausreißerin Judith, in die er sich verliebt, die er aber, als beide verhaftet werden, aus den Augen verliert. Sein kurzzeitiger Versuch, sich auf "anständige" Weise - in einem Beerdigungsinstitut - Geld zu verdienen, um sich auf die Suche nach Judith begeben zu können, scheitert. An Geld, wenn auch auf weniger ehrliche Art, und nach langem vergeblichen Suchen auch an Judith kommt er schließlich trotzdem. Noch sehr frühwerklich-jugendlich wirkt dieser Roman, inhaltlich wie sprachlich Bukowiski nacheifernd, doch weit von diesem entfernt, auch die Psychologie - schlimme Kindheit! - wurde nicht neu erfunden. hin und wieder nett, mehr nicht.
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