Sonntag, 7. Oktober 2012
Live-Ticker jetzt live!
Stefan Niggemeier hat in seiner wöchentlichen Medien-Kolumne im Spiegel (ja, schon wieder...) sich neulich noch darüber mokiert, dass seit neuestem der Live-Ticker im Online-Journalismus immer größere Verbreitung findet und dies zurecht mit einer Banalisierung gleichgesetzt.
Früher war das ein Instrument vornehmlich für Sportereignisse, sofern man keinen Zugang zu Radio oder Fernsehen hatte (oder es dort nicht übertragen wurde), irgendwann kam man auf die kuriose Idee auch Revolutions-Live-Ticker zu machen (spätestens im Arabischen Frühling trat diese Mode ein) - was mit Journalismus schon so gut wie nichts mehr zu tun hat, da man sich aufgrund des "live"-Charakters, der zusätzlich nicht erlaubt, lange Pausen (lange Texte schon gar nicht!) zu gestatten, als Lückenfüller mit Trivialitäten zu Wort melden und - besonderes Armutszeugnis - ungeprüfte Behauptungen über den Äther schicken musste.
Das ist ein grundsätzliches Problem, auf das jedoch zumeist nicht eingegangen wird (vermutlich würde es in solchen Fällen das ganze Unternehmen "live"-Ticker ad absurdum führen).
Anders absurd dagegen die gestrige Verlivetickerung der ersten "Wetten dass...?"-Sendung mit dem Moderator ohne Eigenschaften Markus Lanz... Der Nachrichtenwert dieses großartigen Ereignisses beschäftigte die online-Medien ja schon seit längerem und sicher noch einige Tage, eine freiwillige Werbung, über die sich das ZDF bestimmt freuen dürfte. Aber an wen richtet sich dieser ungemein aufschlussreiche Live-Ticker eigentlich, dem spiegel-online den obersten Nachrichtenplatz am Abend einräumte, auf den aber auch die gediegenere Süddeutsche Zeitung keinesfalls verzichten konnte? "Wetten dass...?"-Enthusiasten ohne Fernsehgerät? Die vielen Schwiegermütter, aus denen sich die Anhängerschaft Markus Lanz' zusammensetzt (und deren hohe Internetaffinität bekanntlich extrem hoch ist)?
Die TV-losen mussten also auf den Rechner ausweichen - und mit Live-Streams sind sie offenkundig nicht vertraut (oder der Computer zu lahm), weshalb sie sich auf den spannenden Ticker verlassen mussten, der ihnen sogar die Qual der Wahl auferlegte...spiegel-online und Süddeutsche waren bestimmt nicht die einzigen mit dieser hilfreichen Einrichtung...
Vielleicht gilt dieser Service aber auch einfah nur Leuten ohne Meinung, die - auch falls sie selbst die Sendung sehen können - gleichzeitig wissen möchten, was sie von der Sendung zu halten haben...
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