Montag, 24. November 2014

Buchtipp: Kobo Abe "Die Erfindung des R 62".

Literatur aus Japan hat es nicht ganz leicht in deutschsprachigen Ländern - abgesehen von der Mangakultur für Jung und Alt und internationalen Autoren wie Kazuo Ishiguro ("Was vom Tage übrigblieb"), die auf Englisch schreiben hat vor allem Haruki Murakami dieses Feld quasi monopolisiert. Selbst ein Nobelpreisträger von 1994 wie Kenzaburo Oe ist nur Eingeweihten bekannt. So verwundert es kaum, dass ein in Japan hochangesehener Schriftsteller wie Kobo Abe bei uns kaum Bekanntheit aufweisen kann, noch dazu, wenn er sich auf ein Genre wie das der Phantastischen Literatur konzentriert. Der Suhrkamp-Verlag hatte 1997 den Versuch unternommen diesen Missstand etwas zu beheben und Abe auch den deutschen Lesern und Leserinnen schmackhaft zu machen und den Erzählband "Die Erfindung des R 62" aufgelegt. Ein kleiner Einblick in das Schaffen Abes.

Die Erfindung des R 62

Ein Ingenieur möchte seinem Leben ein Ende setzen, nachdem er seine Arbeit verloren hat. Doch ein Student hält ihn davon ab, jedoch nicht aus menschlichem Mitgefühl, sondern um ihn zu bitten, sein Leben doch einem Projekt zur Verfügung zu stellen, da er doch gewissermaßen sowieso bereits tot sei. Und so wird aus dem lebensmüden Menschen der Roboter R 62, dessen Aufgabe es sein wird, eine unglaubliche Maschine herzustellen. Das tut er auch, nur in ganz unerwarteter Manier.

Das Ei aus Blei

Ein Mann lässt sich in ein eiförmiges Gebilde einschließen, um darin 100 Jahre lang zu schlafen und anschließend frisch konserviert wiederzukehren. Doch das Ei wird verschüttet und erst nach 800 000 Jahren wiedergefunden. Der Mann lebt noch immer, doch die Menschen dieser Zeit haben sich völlig verändert - sie leben jetzt auf pflanzlicher Basis, durch ihre Adern fließt Chlorophyll, dementsprechend sind sie auch grünfarbig. Essen ist ihnen ebenso ungeheuer wie Arbeit, ihr größter Wunsch ist es, zu sterben, aber das ist ihnen erst nach 500 Jahren erlaubt. Der "Altzeitmensch" findet sich in dieser neuen Welt nicht zurecht - er flieht hinter die große Absperrung in die Welt der "Sklaven"...

Biographie einer Nixe

Ein Berufstaucher findet in einem Wrack eine eingeschlossene Nixe. Völlig fasziniert und in Bann gezogen von ihren hypnotiesierenden Augen will er sie an Land bringen. Dass sie sich offenkundig von Fleisch ernährt, sie hat die Wasserleichen aufgegessen, kommt ihn nicht seltsam, sondern hilfreich vor, denn so lockt er sie ans Ufer, wo er ihnen beiden bereits eine Wohnung gemietet hat. Fortan lebt sie bei ihm in der Badewanne, doch benimmt sich zunehmend seltsam. Und dann taucht da ein Nebenbuhler auf, der dem Taucher wie auf's Auge gleicht.

Menschengleich

Ein Radiomoderator, dessen satirische Sendung "Guten Morgen, Marsianer" von der Absetzung bedroht ist, da die Japaner gerade dabei sind, eine Mission zum roten Planeten erfolgreich umzusetzen, bekommt eines Tages Besuch von einem seiner treuen Zuhörer. Dummerweise hat dessen Frau kurz vorher angerufen, um dem Autor mitzuteilen, dass ihr Mann leider erst aus der Nervenanstalt zurück sei und zu Tobsuchtsanfällen neige. Für den Gastgeber gilt nun, den Besucher möglichst ruhig zu halten, bis dessen Frau ihn abholt. Nicht ganz einfach, denn der Gast ist überzeugt, er sei ein Marsianer. Als der Moderator auf sein Behauptung eingeht, wird der vermeintliche Marsianer erst recht mißtrauisch - womöglich hält man ihn für verrückt? Ein Geduldsspiel beginnt - und die Frau kommt und kommt nicht.

Raffinierte Gedankenwelten mit Überraschungen

Abes Erzählungen bewegen sich zwischen Phantastik und Science Fiction, im Mittelpunkt stehen aber menschliche Konfrontationen. Das eigene Menschsein wird im Aufeinanderteffen mit Robotern, Nixen, Neumenschen und Marsianern plötzlich ungewiss. Obwohl mit feiner Ironie und Liebe zu Skurillem und Groteskem sind Abes Geschichten aber doch geprägt von einem eher pessimistischen Grundgefühl, die überraschenden Wendungen am Ende der Texte haben oft etwas Drastisches. Fast schade, dass man Abe einen westlichen Autor nennen könne, so manches Mal vergisst man gar, dass wir in Japan sind - den Zugang nach Europa hätte ihm dies allerdings erleichtern können. Erleben wird er dies jedoch nicht mehr, Kobo Abe, geboren 1924, starb bereits 1993.

Kobo Abe: Die Erfindung des R 62. Erzählungen. Frankfurt/Main: 1997.

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