Mittwoch, 29. März 2017

Mit Fräulein Annika unterwegs.


 
Der Beruf des Buchautoren bringt es mit sich, dass man des öfteren unterwegs ist, sei es für Recherchen, zu Buchvorstellungen, Vorträgen und Lesungen oder aus dem einfachen und guten Grund, nicht am Schreibtisch Staub anzusetzen und Muskelkrämpfe zu provozieren. Wenn man schon wert auf letztere legen sollte, dann wenigstens in der freien Natur - was auch als Erklärung gesellschaftlich wesentlich besser akzeptiert wird  ("kommt vom Laufen" klingt sportiver als "kommt vom wochenlangen Herumsitzen").
 
Dazu gesellen sich noch persönliche Vorlieben hinzu, die einen immer wieder mal nach draußen treiben oder unter ein fremdes Dach, also ein Museum, eine Ausstellung oder eine kulturelle Vergnügungsstätte irgendwelcher Art. Und da es nicht gut ist, dass der Mensch allein sei, wie es an ziemlich prominenter Stelle in einem noch prominenteren Bestseller heißt, ist es natürlich schön, in Begleitung zu reisen. Leider findet sich allerdings nicht immer jemand, der oben erwähnte Vorlieben vorbehaltlos teilt und noch dazu mehr oder weniger immer Zeit hat, auch mal zu spontanen Ausflügen. Und außerdem hat man womöglich (oder doch eher ganz sicher) zahlreiche Eigenarten entwickelt, die einem Mitreisenden gar sehr befremdlich sind (z.B. den Drang, an keinem Buchladen vorbeilaufen zu können, ohne in der Auslage zu stöbern oder für abrupte Planänderungen noch auf dem Weg oder die Eigenart, Spielzeugfiguren mit sich zu führen).
 

Fräulein Annika auf dem Rheindamm im Bodensee bei Hard in Vorarlberg - mit Blick auf die Schweizer Voralpen.
 
Darum erfreut es umso mehr, eine solch charmante und selbstgenügsame Begleiterin wie Fräulein Annika gefunden zu haben, die in stoischer Gelassenheit jeden noch so unverständlichen und spontanen Schmarr'n mitmacht, schon äußerlich sichtbar für Vorhaben per Bahn und pedes bestens gerüstet ist (deutlich besser als man selbst), Wind und Wetter trotzt (ebenfalls deutlich besser als man selbst), stets Zeit hat und von Muskelkrämpfen nicht die geringste Ahnung.
 
Folglich werden wir von nun an in loser Folge immer mal wieder von der ein oder anderen Reise berichten, wobei wir uns auf kleinere Orte beschränken werden, also selten Städteberichte und schon gar nicht über Großräume (der Thurgau, Südhessen, das Sarganserland, Nordamerika) liefern, sondern über einzelne Stätten und Monumente und hin und wieder natürlich auch diese oder jene Ortschaft.
Wer sich wundert, dass unsere gemeinsame fränkische Heimat (Fräulein Annika stammt ja aus Zirndorf) dabei eine eher untergeordnete Rolle spielen wird, dann liegt dies daran, dass für Franken andere Formate in Vorbereitung sind. Aber Ausnahmen werden diese Regel bestätigen, dafür sind sie schließlich da.



Samstag, 18. März 2017

Friedrich Kayßler: Der Mensch und der Krieg.


Der Mensch und der Krieg
(1917)

Ein Dichter singt: "Er fiel für dich."
Ich lese staunend das Gedicht.
Mir steigt der Zorn ins Angesicht.
Ich frage: "Dichter, meinst du mich?"

Ich wollte keines Menschen Tod,
ich sprach zu keinem: fall für mich.
Ich sprach zur Welt: ich liebe dich,
Wer fragte mich, ob Haß, ob Not?

Der Stern, wo ich geboren bin,
mir nicht zur Wahl gegeben ward.
Ich trage meinen eignen Sinn,
ich trage meine eigne Art.

Leicht steht es da - und fürchterlich.
Wer gab dir Recht, das Wort zu wagen?
Und ich verbiete dir, zu sagen:
Für mich!


Friedrich Kayßler (1874-1945)
 
Heute nurmehr Film- und Bühnenthusiasten ein Begriff, war Friedrich Kayßler einst ein gefeierter Theater- und später zunehmend auch Kinostar der Zeit von 1900 bis 1945. Umso bemerkenswerter sein sicher nicht gerade höchsten Ansprüchen an Lyrik genügendes, aber zur Zeit seiner Veröffentlichung (Oktober 1917) mutiges Antikriegsgedicht gegen die Zeitströmung der deutschen Militärdiktatur des Ersten Weltkriegs, das sich vor allem gegen die intellektuelle Unterwerfung vieler Dichter richtete.
Dies hinderte Kayßler allerdings nicht, im Dritten Reich von der Protektion des Propagandaministers Joseph Goebbels und Gustaf Gründgens' zu profitieren - zwar gab er sich nicht für übelste Machwerke her, war jedoch einer von nur vier Schauspielern, die es auf die legendäre "Gottbegnadetenliste" schafften, also für so unentbehrlich gehalten wurden, dass man sie von jedwedem Kriegseinsatz freistellte. Ein Opfer des Krieges wurde Kayßler trotzdem: kurz vor Ende der Kampfhandlungen starb er 1945 durch russisches MG-Feuer beim Versuch, seine Familie zu schützen.