Der Mensch und der Krieg
(1917)
Ein Dichter singt: "Er fiel für dich."
Ich lese staunend das Gedicht.
Mir steigt der Zorn ins Angesicht.
Ich frage: "Dichter, meinst du mich?"
Ich wollte keines Menschen Tod,
ich sprach zu keinem: fall für mich.
Ich sprach zur Welt: ich liebe dich,
Wer fragte mich, ob Haß, ob Not?
Der Stern, wo ich geboren bin,
mir nicht zur Wahl gegeben ward.
Ich trage meinen eignen Sinn,
ich trage meine eigne Art.
Leicht steht es da - und fürchterlich.
Wer gab dir Recht, das Wort zu wagen?
Und ich verbiete dir, zu sagen:
Für mich!
Friedrich Kayßler (1874-1945)
Heute nurmehr Film- und Bühnenthusiasten ein Begriff, war Friedrich Kayßler einst ein gefeierter Theater- und später zunehmend auch Kinostar der Zeit von 1900 bis 1945. Umso bemerkenswerter sein sicher nicht gerade höchsten Ansprüchen an Lyrik genügendes, aber zur Zeit seiner Veröffentlichung (Oktober 1917) mutiges Antikriegsgedicht gegen die Zeitströmung der deutschen Militärdiktatur des Ersten Weltkriegs, das sich vor allem gegen die intellektuelle Unterwerfung vieler Dichter richtete.
Dies hinderte Kayßler allerdings nicht, im Dritten Reich von der Protektion des Propagandaministers Joseph Goebbels und Gustaf Gründgens' zu profitieren - zwar gab er sich nicht für übelste Machwerke her, war jedoch einer von nur vier Schauspielern, die es auf die legendäre "Gottbegnadetenliste" schafften, also für so unentbehrlich gehalten wurden, dass man sie von jedwedem Kriegseinsatz freistellte. Ein Opfer des Krieges wurde Kayßler trotzdem: kurz vor Ende der Kampfhandlungen starb er 1945 durch russisches MG-Feuer beim Versuch, seine Familie zu schützen.
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