Dienstag, 14. Mai 2019

Lektüremonat April 2019.


Walter Flex: Der Wanderer zwischen beiden Welten.

Dieses Buch war hierzulande Bestseller – die vorliegende Ausgabe von 1966 machte die Million verkaufter Exemplare voll – und ist heute zum Glück (und hoffentlich auch in Zukunft) kein Verkaufsschlager mehr, aber ein Dokument für das deutsche Denken bis weit in die 1960er Jahre. Walter Flex (1887-1917) sprach mit diesem schmalen Buch zahlreiche Menschen – Männer – an, verband er doch Jugendromantik, Kameradschaft und „Kriegserlebnis“ (so im Untertitel) mit seiner Schilderung eines mit ihm befreundeten Theologiestudenten und Anhängers des Wandervogels, der deutschen Jugendbewegung, der alles andere ist als ein stumpfer Krieger, sondern ein hochgebildeter Patriot, der Goethe, Nietzsche und die Bibel im Tornister führt und für jedes „innere Erlebnis“ den passenden Vers parat hat. In ihm verbindet sich die so seltsame Vermischung von Kultur- und Herrenmensch, wie sie noch viel bösere Früchte tragen sollte, doch war Flex, gerade weil er nicht plump daherkam, sondern eine in Phasen dem Zeitgeschmack entsprechende poetische Sprache nutzte, die das Grausame des Krieges gleichzeitig zu verdecken wie zu verklären half, ein nicht zu unterschätzender Vorbereiter und Katalysator gerade für junge Menschen, die glaubten, Goethe und Greuel durchaus vereinbaren zu können. Zu dem Erfolg und Mythos des Buches trug auch bei, dass der Autor wie sein Protagonist schließlich im Krieg fiel. Seine Hinterlassenschaft wirkte noch lange nach.


Ralph Herrmanns: …des andern Tod.

Ein Thriller, dessen Titel so unspezifisch ist wie sein Inhalt überladen. Der schwedische Geheimdienst, die UNO, äthiopische Innenpolitik, natürlich der Mossad, die CIA, die IRA, das FBI, Scotland Yard, afrikanische Terroristen, Esoterik, Entwicklungshilfe, atomare Gefahren – alles mit drin, dazu Sex and Crime, das ein oder andere Mal verliert sich der Faden etwas, was der Spannung leicht abträglich ist, insgesamt liest sich das Debüt des Schweden Ralph Hermans (geboren 1933) um den manchmal etwas zu coolen Agenten Jörgen Blom recht routiniert herunter. Und das ist ja schon mal ganz schön.


Hjalmar Söderberg: Doktor Glas.

Und noch ein Schwede – allerdings mit einem einstigen echten Skandalroman, der trotz seiner inzwischen weit über 100 Jahre – er erschien 1905 – von seiner moralischen Brisanz nichts verloren hat. Der Hausarzt und Junggeselle Doktor Glas erfährt vom Leid der jungen Pastorengattin, die zunehmend in ihrer Ehe aufgrund der ihr von ihrem wesentlich älteren Mann aufgezwungenen sexuellen Pflichterfüllung in die Depression abgleitet. Eine Trennung ist unmöglich, eine heimliche Liebschaft mit einem Regierungsbeamten nur ein Trost ohne Ausweg. Glas‘ Versuche, den Pfarrer mit medizinischen Argumenten – und falschen Diagnosen – zur Rücksicht zu mahnen, schlagen auf Dauer fehl. Dem Arzt kommt ein teuflischer Gedanke, den er schließlich in die Tat umsetzt: er ermordet den Pfarrer, dessen Herzschwäche er selbst vorher diagnostiziert hat, mit Zyankalipillen. Obwohl er nie unter Verdacht gerät, erfüllen sich seine Wünsche nicht: am Ende des Buches erfährt er von der Heirat des Regierungsbeamten mit einer anderen Frau, nicht der Witwe. Söderbergs (1869-1941) Roman in Tagebuchform sorgte naturgemäß für Aufruhr: die kalt geplante Tötung eines Geistlichen, die noch dazu ungesühnt bleibt, musste nicht nur im damaligen protestantischen Schweden für Empörung sorgen. Können edle Motive einen Mord rechtfertigen – und sind sie überhaupt so edel? Schließlich rechnet der Arzt durchaus mit einer gewissen Dankbarkeit der befreiten Frau, die schließlich ahnen muss, dass ihr Mann nicht zufällig in den Armen ihres Hausarztes gestorben ist. Noch immer ein packendes und zum Nachdenken anregendes Buch.


Edgar Allan Poe: Der Rabe.

Dieser fünfte und letzte Band der deutschsprachigen Edgar-Allan-Poe-Gesamtausgabe, teils übersetzt von arno Schmidt und Hans Wollschläger, versammelt die Gedichte und Essays des amerikanischen Großmeisters der schwarzen Romantik (1809-1849). Zur Lyrik gehören natürlich Klassiker wie der titelgebende „Rabe“, „Das Geisterschloß“ oder „Annabel Lee“ – vorbildlich in beiden Sprachen abgedruckt. Faszinierend sind aber insbesondere auch die Essays – es sind zwar nur drei, aber jeder von ihnen steht für sich und seinen Autor: In „Die Methode der Komposition“ berichtet Poe über sein Vorgehen beim Schreiben von Lyrik – und räumt dabei mit Illusionen von Genie und Inspiration auf; gleichzeitig liefert er dadurch, was auch selten der Fall ist, eine Eigeninterpretation eines Werkes durch den Autors selbst– und zwar vom „Raben“. „Heureka“ ist ein äußerst seltsamer Versuch, Physik, Metaphysik und Satire zu verbinden, Poe entfaltet eine Kosmogonie irgendwo zwischen Naturwissenschaft, Philosophie und laienhaften Ideen. Berühmt ist sein Versuch, den angeblichen Schachautomaten des Baron von Kempelen zu entlarven, mit dem dessen Nachbesitzer durch Amerika tourte: „Maelzels Schach-Spieler“. Poe hatte ganz richtig erkannt, dass die Maschine keineswegs selbständig agierte, sondern…naja, lesen Sie selbst.       


Bodo Kirchhoff: Der Sandmann.

Quint, Radiosprecher um die 50, entflieht seiner Ehekrise in Richtung Tunis mitsamt seinem vierjährigen Sohn Julian. Der Grund: ihr Kindermädchen Helen ist dorthin spontan aufgebrochen und seitdem spurlos verschwunden, Quint hatte eine Affäre mit ihr, die jedoch (noch) nicht sexueller, sondern rein sprachlicher Natur war. In Tunis kann er zwar ihren letzten Aufenthaltsort ausfindig machen, eine kleine Pension, doch gerät er zwischen deren Bewohnern – der verführerischen Besitzerin, ihrem degenerierten Sohn und dem geheimnisvollen deutschen „Exilanten Dr. Branzger – zunehmend in ein Verwirrspiel, insbesondere als er Helens Aufzeichnungen zugespielt bekommt, die suggerieren, diese sei noch in der Stadt und beobachte Quint und dessen Sohn. Doch ist diesen Heften überhaupt zu trauen? Und wem überhaupt? Quint verliert zunehmend die Kontrolle über das Geschehen. Nicht unbedingt einer der besten Romane Kirchhoffs (geboren 1948), vielleicht muss man(n) dazu erst in die Midlife Crisis kommen, um ihn mehr würdigen zu können.    


Marie von Ebner-Eschenbach: Bozena.

Früher waren die Erzählungen Ebner-Eschenbachs (1830-1916) noch präsenter, heute findet man hin und wieder noch einen ihren Aphorismen zitiert. Insgesamt dürfte dies allerdings daran liegen, dass der Realismus des 19. Jahrhunderts keine allzugroße Reichweite unter den Leser*innen mehr hat – leider. Denn gerade die Österreicherin Ebner-Eschenbach, ohnehin die einzig nennenswerte Vertreterin jener Epoche, steht für die große Menschlichkeit und Menschenkenntnis, die sich in den besten Werken dieser Richtung manifestiert. Zwar war auch sie beeinflusst vom Pessimismus Schopenhauers, aber gerade ihr, der Hocharistokratin,  gelang es unter den ungeschönten Eigenschaften wie Neid, Gier und Eitelkeit einen Kern an Gewissen herauszufiltern, der noch am Leben erhalten wird – insbesondere unter den sogenannten „einfachen“ Menschen. So ist es auch hier die Dienstmagd Bozena, die schlussendlich für eine Versöhnung sorgen kann in den durch Zufälle, aber vor allem auch Bösartigkeiten bedingten Intrigen innerhalb Familien des aufstrebenden Bürgertums und des absteigenden Adels im Böhmen der verfallenden Habsburgermonarchie. Wer also einen Wiedereinstieg in den Realismus wagen möchte, ist mit Ebner-Eschenbach bestens betaten. Wer ein gutes Buch mit menschlichem Kern lesen will, sowieso.          


Gwendoline Riley: cold water.

Bei Erscheinen 2002 sorgte das Debut der Britin Gwendoline Riley für allgemeine Lobeshymnen. Zurecht? Zurecht. Der sehr kurze Roman über eine junge Barfrau in Manchester, die neben ihrer eigenen Arbeitsstelle auch zahlreiche der KollegInnen aufsucht, erfreut durch seinen unaufgeregten lakonischen Stil, hinter dessen sanfter Ironie sich ein melancholischer Grundton versteckt. Carmels Leben schwankt zwischen der Freiheit der jungen Jahre und deren gleichzeitiger Perspektivlosigkeit. Wie alle ihre Bekannten hat sie sehnsüchtige Träume – von der glücklichen Beziehung bis zum Landleben in Cornwall – und wenig Aussicht auf deren baldige Verwirklichung. Was wie ein Bohèmeleben erscheinen mag ist vor allem eine stets bedrohte Existenz, über die man sich besser keine allzugroßen Gedanken macht. Und so dominieren leicht verkorkste, aber zumeist liebenswerte Gestalten das Nachtleben Manchesters – der Roman dürfte von der stadt kaum zu werbezwecken missbraucht werden. Dass es ständig nieselig-grau zu sein scheint, mag man noch als englische Wetterfolklore hinnehmen, aber der überall herumliegende Müll, wabernde Gestank und schmutzige Verfall ist nicht nur der Hintergrund, sondern auch der Grund für das Sichwegsehnen. Die lockere Erzählhaltung versucht schließlich auch gar nicht, über das Unentrinnbare hinwegzutäuschen, in dem sich Carmel und ihre Generation befinden. Der Ausbruch wird am Ende vertagt, alte Muster kehren zurück. Starker Erstling.          

                 

Willi Fährmann: Unter der Asche die Glut.

Vor zwei Jahren verstarb mit Willi Fährmann (1929-2017) einer der erfolgreichsten deutschen Jugendschriftsteller, dessen großes Thema nicht nur, aber vor allem, die Zeit vor, im und nach dem ‚Dritten Reich‘, am bekanntesten und eindrücklichsten sicher in „Es geschah im Nachbarhaus“. Auch mit „unter der Asche die Glut“ beweist Fährmann einmal mehr seine Fähigkeit, nah an den Fakten mit lebensechten Charakteren, die weder Helden noch Typen sind, unaufgeregt, aber spannend Geschichte zu erzählen. Im Mittelpunkt stehen einige Jugendliche der katholischen Jungschar, denen nach der sogenannten „Machtergreifung“ schnell klar wird, dass sie fortan unter beständiger Drohung stehen: dies gilt für ihre Organisation allgemein, aber auch für jedes einzelne Mitglied. Es sind weniger die vereinzelten Schlägereien mit der HJ, die nach und nach erfolgenden Verbote, die letztlich jegliches Vereinsleben außerhalb der Hitlerjugend unterbinden sollen, sondern die Eingriffe in das Leben und die Familien. Das Bekenntnis zur Mitgliedschaft in der katholischen Jugend zerstört Lebenswege, Freundschaften und Zukunftsaussichten. Eine Romfahrt setzt noch einmal ein großes Zeichen, doch ein Happy End erfolgt nicht: der scheinbar glückliche Ausgang bleibt nicht nur ambivalent – eine Auswanderung nach Südamerika, die man auch als Kapitulation verstehen kann –, sondern offen. Dank Fährmanns Erzählkunst ein lebendiges Panorama über ein selten dargestelltes Thema, dass ein Licht auf die ‚kleinen‘ Verfolgungen wirft – ohne die brutaleren gegen Kommunisten und Juden auszusparen –, über das Eingreifen von Diktaturen in die privatesten Bereiche und in die Lebensverhältnisse, in der plötzlich nicht mehr jedem zu trauen ist. Wie eigentlich immer bei Fährmann auch ein großer Lesegewinn für Erwachsene.   


Junichiro Tanizaki: Naomi oder Eine unersättliche Liebe.

Wieder einer der kurzen frühen Romane Tanizakis (1896-1965), die sich noch stark am europäischen Vorbild orientierten. Und es verwundert den westlichen Leser und die westliche Leserin, wie unterwürfig und demütig im Buch selbst die Japaner*innen – die japanische Gesellschaft insgesamt – gegenüber jeglichem europäischem oder amerikanischem Einfluss geschildert wird, sowohl was die Personen angeht, als auch die kulturelle Orientierung. Der Umgang mit den Ausländern ist ehrerbietig bewundernd, was aus dem Westen kommt, wird geradezu bedürftig aufgenommen und kopiert. Dies wirkt angesichts der stolzen eigenen Kultur und dem damit verbundenen Selbstbewusstsein, das wir mit ihr verbinden, reichlich befremdlich – wie sehr es tatsächlich das Denken zumindest bestimmter japanischer Schichten der Vorkriegszeit oder doch eher den Wunschvorstellungen des Autors entspricht, müsste man genauer untersuchen. Auch das Hauptthema des Romans kommt uns heute kurios bis fragwürdig vor: der Joji möchte ein minderjähriges Mädchen, das in einem Café arbeiten muss, unter seine Fittiche nehmen, um sie in seinem Sinne zu einer für ihn angenehmen Ehefrau zu erziehen – äußerlich betrachtet gelingt sein Vorhaben: er nimmt Naomi zur Frau und setzt sich für ihre Bildung ein. Doch sein Geschöpf entwickelt sich zur Frau, was Joji zwar sexuell anzieht, sie aber auch nutzt, um ihn nicht nur auszunehmen und zu betrügen, sondern auch schlussendlich zu unterwerfen. Ein nicht immer leicht zu verstehendes Werk, da trotz der Westorientierung viel japanischer Hintergrund notwendig ist – und es, anders als in anderen Übersetzung Tanizakis, hier keine Erläuterungen gibt, aufgrund des Inhalts nicht ganz unkontrovers, aber da Naomi sich revanchiert…

Arthur Schnitzler: Therese. Chronik eines Frauenlebens.

Eine Naomi ist Therese, Tochter eines k.u.k-Offiziers in Salzburg, nicht, obwohl auch sie den Männern verfallen und nicht ohne Selbstbewusstsein ist. Doch Schnitzlers (1862-1931) Protagonistin kann sich nicht befreien, sie steigt auch nicht auf, sondern ab, als ihr Vater dem Wahnsinn verfällt, und sie von einer unglücklichen Affäre in die nächste stolpert, es dazu als Hauslehrerin selten länger als ein paar Monate in einem Dienst aushält. Schnitzler häuft nicht wenig Unglück über seine Therese, vom Tod des Vaters, einem unehelichen Kind, das sich zum Dieb und schließlich ihrem Mörder entwickelt, doch ist seine Figur, wie man es von ihm erwartet, vor allem eine Gefangene ihrer eigenen Psychologie und des Desinteresses der Menschen aneinander. Geplagt von Gefühlswechseln, von falschen Hoffnungen und zu schnellem Gekränktsein, von Unleidlichkeit und Unbeständigkeit in ihren Beziehungen, vor allem aber vom Glauben an die eigene Schuld dem vernachlässigten Kind gegenüber, dass sie einst abtreiben und noch in der Nacht der Geburt sterben lassen wollte, gelingt ihr nie der Ausbruch aus einer Abfolge von Enttäuschungen. Das Ende ist keineswegs zwangsläufig, gleichwohl scheint es letztlich nur auf tragische Weise ein Leben zu beenden, das sich ausweglos weiter dahin langsam absteigend dahingeschleppt hätte. „Grausam nüchtern“ nannte Stefan Zweig das Buch, wie wahr.

Heinrich Böll: Ansichten eines Clowns.

Es kommt nicht allzu oft vor, dass ein Autor gut zwanzig Jahre nach Erscheinen seines Romans ein Nachwort zu seinem eigenen Werk verfasst und dieses dann auch noch für inzwischen obsolet erklärt. Allerdings hat Heinrich Böll (1917-1985) auch fünfzig Jahre später immer noch recht: inhaltlich hat der Roman ziemlich viel Staub angesetzt, die Probleme der konfessionellen Mischehen, der enorm einflussreichen katholischen Verbände, eines bis tief in die Familien gehenden geistlichen Einflusses waren bald überholt – dass Böll Anfang der Sechziger Jahre damit noch einen Skandal auslösen konnte, unterstreicht diese Entwicklung nur. Warum also das Buch überhaupt noch lesen? Nun, erstens ist es einfach gut erzählt, Hans Schnier ist trotz allem eine ambivalente, manchmal querulante, aber doch durch sein Aufbegehren sympathische Außenseiterfigur; eine traurige Liebesgeschichte sind die „Ansichten“ zudem, ein Thema, das nie veraltet. Und dann kann man den Roman inzwischen als Dokument einer Zeit lesen, die zum Glück überwunden, aber so lange doch noch nicht her ist – und vor allem eine, in deren Muffigkeit, Enge und Kontrollwut man ganz, ganz sicher nicht zurückmöchte.         


Isabel Allende: Von Liebe und Schatten.

Die jüngeren Romane Isabel Allendes (geboren 1942) stehen ja zunehmend unter Kitschverdacht und bei solch einem Titel – kein Übersetzungslapsus – befürchtet man Schlimmes. Falsch. Erstens handelt es sich um ein Frühwerk – den direkten Nachfolger des „Geisterhauses“ – und der Titel mag zwar etwas plump sein, trifft aber den Inhalt. Allende verknüpft in ihrer eigenen Art zu erzählen die Schicksale dreier Familien aus den unterschiedlichsten Milieus unter der Diktatur Pinochets in Chile. Dem liegt eine Liebesgeschichte zugrunde, doch fallen auf alle Personen die Schatten des Unterdrückungsapparates - tödliche Schatten zumeist, wer „Glück“ hat, kommt mit dem Exil davon, aber keiner ohne traumatische Erfahrung. Die skurrilen Einfälle Allendes fehlen naturgemäß auch in diesem Roman nicht, doch entwickelt sich dieser schneller zu einer gerafften, stringenten Erzählung eines politischen Skandals, dessen Aufklärung zahlreiche Opfer kostet. Hat alles, was man von Isabel Allende in Bestform erwartet.


Wolfgang Herrndorf: Tschick.

„Tschick“, ein enormer Bucherfolg Anfang der 2010er Jahre, gehört in die junge Tradition seit Tommie Bayer und Sven Regener, mit dem Unterschied, dass Wolfgang Herrndorf (1965-2013) keine Rückblende mit autobiographischen Zügen verfasste, sondern aus der Sicht eines Achtklässlers der Gegenwart berichtete. Dementsprechend der Stil seines Buches, weniger erwartbar die äußerst komisch-kuriose Geschichte einer Sommerferienfahrt im gestohlenen Lada mit dem anfangs wenig geliebten neuen Mitschüler russischer Herkunft Tschick, laut eigener Auskunft jüdischer Zigeuner mit Verwandtschaft in der Walachei, also warum da nicht mal hinfahren? Auch wenn man nicht einmal so genau weiß, wo die überhaupt liegt und wo genau Süden ist, irgendwelche Straßen werden schon von Berlin aus dorthin führen. Ganz so einfach ist es dann doch nicht, da den beiden bald die Polizei auf den Fersen ist, das Benzin ausgeht, sie auf einem Müllplatz ein Mädchen aufgabeln und die eigene Schrottkarre zuguterletzt auf der Autobahn in einen Schweinelaster hineinkracht. Herrndorfs Buch wurde allseitig gelobt und daran gibt es auch nichts zu meckern. Man steigt mit den beiden in den alten Lada ein und ist am Ende ähnlich traurig, dass die Fahrt zu Ende ist. Gemeinsam man ihnen war man aus dem tristen Alltag geflüchtet und nun ist es vorbei – aber der schöne Moment bleibt als Erinnerung. „Tschick“ ist inzwischen Schullektüre. Genau die Schullektüre, die man sich seinerzeit gewünscht hätte.        
     

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen