Mittwoch, 8. August 2012

Chris Marker

Der französische Regisseur mit dem Namen, den jeder falsch ausspricht, wenn er ihn das erste Mal liest, Chris Marker, ist letzte Woche verstorben. Der Name ist nur ein Pseudonym, aber da er es liebte, über seine Herkunft zu geheimsen - und dies ziemlich erfolgreich - wurde aus Christian François Bouche-Villeneuve eben Chris Marker... Kurios auch, dass er gerade an seinem 91. Geburtstag (29.Juli) das Zeitliche gesegnet hat.

Die Libération hat dazu ein sehr gelungenes Titelbild herausgebracht - das allerdings wegen der Überschrift etwas umstritten war, offenkundig störte sich mancher an der Kombination von "Marker" und "aus/verwischen" und hielt dies für ein gerade angesichts des Anlasses dümmliches Wortspiel...das sich aber im Französischen nicht sehr aufdrängt. Dass er Marker hieß lässt sich schließlich kaum ändern und "s'effacer" bedeutet eigentlich "vergehen" und ist somit ein sehr poetischer Ausdruck, der nicht nur Marker sehr angemessen ist, sondern auch zum langsamen Ausklang eines Filmes passt. Schade, dass diese Diskussion über den Text von dem wirklich großartigen Bild abgelenkt hat, das - natürlich ein Filmzitat - Melancholie und Ironie ziemlich klug verbindet. 



Seine Filme sind nicht weniger exzentrisch als die Heimlichtuerei über seine Jugend, aber nicht auf schrille, sondern auf die sehr leise Art, die intelligente Filme oft ausmacht - und es sind die seltenen Exemplare der Leinwand, auf die der Begriff poetisch zutrifft; was sehr anstrengend klingt, und auch etwas elitär. Beides ist nicht verkehrt, sollte aber niemanden davon abhalten, sich wenigstens versuchsweise darauf einzulassen. Elitär sind die Filme Markers nicht von einem vorneherein begründeten Anspruch her (also einer bewusst gewollten Ausgrenzung), sondern das ergibt sich wohl aus der Natur der Sache oder des Genres. In Kritiken - und wahrscheinlich jetzt auch in den Nachrufen - findet sich fast stets das Wort "einzigartig", das ist berechtigt und natürlich als Kompliment gemeint, das aber auch den kleinen Kreis mitbeinhaltet, denn er dadurch - leider - nur erreicht hat.
Marker ist wenn nicht der Begründer, so doch der - meiner Meinung nach - vollendetste Regisseur des Film-Essays, weit davon entfernt, irgendwelche Dokus zu drehen, sondern...nun, eben einen Essay, einen Versuch, ein Thema zu umkreisen. Einfach ist das nicht. Adäquat umschreiben lässt es sich auch nicht...allenfalls in einem...Essay.
Solch einen Film anzusehen, muss man sich vornehmen. Aber es geht einem dann vielleicht wie mit vor gut zehn Jahren, als ich Markers Sans Soleil gesehen hab - ich glaub, ich war selten so von einem Film beeindruckt, und ich hab bis auf den heutigen Tag einzelne Szenen noch immer im Kopf, mitsamt dem Gefühl, das ich damals beim Anschauen hatte. Die Giraffe, die sich angeschossen im Todeskampf windet, hab ich jedenfalls nicht mehr aus dem Gedächtnis bekommen, obwohl man sich ja fast täglich allerhand Grausameres ansehen muss. Und die Bemerkungen über den japanischen Horrorfilm... Dass der Titel des Films genial ist, muss ich gar nicht erwähnen.

Leider gibt es die Filme von Chris Marker bei uns nicht auf DVD, warum auch immer...Kulturnation; wobei es die Franzosen auch nicht besser machen, erstaunlicherweise sind es die Briten, die uns da voraus sind. Zumindest waren das die einzigen, die ich entdecken konnte. Möglicherweise ändert sich das nun mit dem Tod des Meisters.
Auf youtube gibt es immerhin zum Reinschmecken den englischen Trailer (mit spanischen Untertiteln...) zu Sans Soleil, der einen ersten Eindruck vermittelt, was man sich unter einem Film-Essay Markerscher Art vorzustellen hat:

Ein melancholisches Meisterwerk. Einzigartig heißt schließlich auch, das er keinen Nachfolger hat. Ein großer Künstler des 20.Jahrhunderts, aber auch ein großer Unbekannter.  

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