Centurion
Centurion UK/F
2010 95 min
Regie: Neil Marshall
Drehbuch: Neil
Marshall
DarstellerInnen:
Michael Fassbender (Quintus Dias), Dominic West (Titus Flavius
Virilus), Olga Kurylenko (Etain), Noel Clarke (Macros), Liam
Cunningham (Ubriculius „Brick“), David Morrissey (Bothos), Riz
Ahmed (Tarak), JJ Feild (Thax), Dimitri Leonidas (Leonidas),
Imogen Poots (Arianne), Paul Freeman (Agricola), Ulrich Thomsen (Gorlacon),
u.v.m.
Nachdem in der Letzten Legion Aurelius und seine Mitstreiter urplötzlich zu Ausgestoßenen geworden
waren, scheint sich der Film in ein bekanntes Schema zu fügen. Früher nach
einem gewissen Kinderlied benannt, ergibt sich ein Abzähl- oder genauer ein
buchstäbliches Countdown-Prinzip: eine klar umrissene Gruppe weniger Personen
wird durch äußere Umstände verschiedenster Natur jeweils bis zum Ende hin peu à
peu reduziert, bis nur noch ein Pärchen, der oder die Protagonistin oder in der
sehr pessimistischen Variante niemand mehr übrig bleibt. Diese Struktur ist
besonders im Horrorfilm äußerst beliebt, im Sandalengenre jedoch eher selten anzutreffen
– tatsächlich verliert Aurelius von seiner Truppe nur ganz zu Beginn und kurz
vor dem Ende jeweils einen Mitstreiter, insgesamt bleibt die Kerngruppe intakt.
Anders dagegen verhält es sich in Centurion, ebenfalls einer
hauptsächlich britischen Produktion, die einige Parallelen zu ihrem Vorgänger
besitzt, mit ihren Hauptfiguren allerdings weitaus weniger glimpflich umgeht.
Die nördliche Provinz Britannien zum
Ende der Regierungszeit Kaiser Trajans. Zwar hat man Teile des heutigen
Schottlands ebenfalls besetzt und mit Garnisonen versehen, doch fehlt der
entscheidende Erfolg, um auch diesen Rest der Insel endgültig der Provinz
einverleiben zu können. Ein von den einheimischen Pikten des Häuptlings
Gorlacon geführter Guerillakrieg zermürbt die Besatzungstruppen, weshalb der
römische Statthalter Agricola beschließt, durch den Einmarsch der 9. Legion
unter deren General Virilus dem Treiben unwiderruflich ein Ende zu setzen.
Geführt von der stummen piktischen Fährtenleserin Etain finden die Legionäre den
Zenturio Quintus Dias, Überlebender eines Überfalls auf ein Kastell, der
Gorlacon entkommen ist. Etain allerdings erweist sich als Verräterin, welche
die Legion in einen Hinterhalt mitten im Feindesland geführt hat: in einer
Mulde im nebligen Wald werden die Römern
vernichtend geschlagen, nur wenige entkommen dem Gemetzel, darunter Quintus
Dias mit sechs Gefährten. Nachdem sich herausgestellt hat, dass der General
nicht getötet, sondern in Gorlacons Dorf verschleppt wurde, entschließt sich
die kleine Resttruppe zu einem Befreiungsversuch. Dieser scheitert, bestimmt
jedoch fortan das Schicksal der sieben Legionäre: einerseits gibt der General
Quintus Dias den Befehl, die Männer sicher zurück auf römisches Gebiet zu
führen, andererseits tötet einer der Soldaten den Sohn Gorlacons, der daraufhin
Blutrache schwört und Etain beauftragt, mit mehreren Kriegern die flüchtigen
Römer zu verfolgen und umzubringen. Es beginnt ein Wettlauf zwischen den Pikten
und den Römern, die sich in unbekanntem Gebiet und bei widrigen
Wetterverhältnissen bis zur Grenze durchschlagen wollen. Dort wird am Ende nur
Quintus Dias ankommen. Hinter dem im Bau befindlichen Hadrianswall erfährt er
im Quartier des Statthalters nicht nur, dass das Projekt Eroberung des Nordens
inzwischen aufgegeben wurde, sondern er entgeht nur knapp einem Mordanschlag
Agricolas, der verhindern möchte, dass man ihm in Rom das Versagen der 9.
Legion vorhält. Quintus Dias flieht zurück auf piktisches Gebiet zu der
Außenseiterin Arianne, die den Römern auf der Flucht Schutz gewährte – somit
ist der letzte Zeuge des Untergangs der 9. Legion doch noch wie sie selbst
verschwunden.
Dieses Mal sind folglich die Männer
der 9. Legion alles andere als in den Ruhestand getreten. Tatsächlich ist der
Mythos um diese Armee im populären Gedächtnis bei den Briten ähnlich präsent
wie in Deutschland vielleicht die Varusschlacht, die andererseits weit weniger
Leinwandpräsenz hatte. Die Legion wurde letztmals 108 nachgewiesen,
anschließend hat sich ihre Spur im wahrsten Sinne des Wortes verloren – die
Behauptung des Regisseurs und Drehbuchautors Neil Marshall (der nebenbei aus
Newcastle upon Tyne stammt, also vom östlichen Ende des Hadrianswalles), die Ansicht, die Armee
wurde bei einem Einsatz im Norden komplett aufgerieben sei historisch
widerlegt, but the legend is better than the truth, ist so nicht ganz
richtig. Diese Theorie war einst die ursprüngliche, doch schien sie durch
Erkenntnisse, dass die Legion oder größere Teile von ihr nach Germanien an den
Rhein verlegt worden waren, entkräftet. Eine nicht unbedeutende Fraktion
jüngerer Forscher hält heute allerdings den Untergang bei einer gescheiterten
Nordexpedition um 120, der ungefähren Zeit kurz vor der Errichtung der
Befestigungslinie aufgrund der neuen defensiven Strategie Hadrians durchaus für
möglich. Die gelehrte Diskussion ist alles andere als abgeschlossen.
Wie Die letzte Legion und der
Adler der Neunten Legion liefert Centurion ergo einen Beitrag zum
Mythos. Der Beginn des Filmes hebt sich nicht von vielen Vorgängern ab: Blick
auf eine Karte mit lateinischen Namen, die Ausgangssituation wird durch
Texteinschübe vorgestellt. Das dritte klassische Einstiegsmittel, die
Erzählerstimme aus dem Off, in diesem Fall des Zenturios Quintus Dias, wird
später nachgereicht. Dazwischen liegt jedoch ein außergewöhnlicher Bruch zum
Genre. Dieses ist, Folge der historischen Vorgaben, zumeist im erweiterten
Mittelmeerraum angesiedelt, südlich-sonnig. Die auf den kurzen Prolog folgenden
Einstellungen präsentieren jedoch keineswegs eine Sand-, sondern eine
Schneewüste: in minutenlangen Fahrten bzw. Flügen schwebt die Kamera über
vereiste und raue Gebirgslandschaften, bevor ein winziger Mensch sichtbar wird,
vereinzelt und holprig sich fortbewegend. Im Vorgriff auf späteres Geschehen
sieht man den entflohenen Gefangenen Quintus erstmals auf der Flucht. Die
Aufnahmen versinnbildlichen gleich mehrere Kontraste. Inmitten der weiten und
leeren Landschaft wirkt der Mensch nicht nur verloren, sondern auch
ausgeliefert, ein sichtbarer Fremdkörper; dies wird dreifach symbolisch
unterstrichen. Quintus ist verletzlich, noch immer von den erlittenen
Folterungen gekennzeichnet; er ist unfrei, da er noch immer die Handfesseln
trägt; und er ist buchstäblich ein Fremdkörper, der sich halbnackt durch
die feindliche Umgebung schlägt. Ein Schicksal, das sich für ihn und seine
Kameraden später wiederholen wird. Die Römer haben hier nicht nur die Menschen
– die Pikten – sondern auch die Natur als Gegner. Wobei nicht vergessen werden
darf, dass es nur die Menschen sind, die töten. Keiner der Figuren im Film wird
Opfer der Natur, nur der Mitmenschen.
In Centurion fällt der
Versuch auf, möglichst authentisch wirken zu wollen. Auf die Ausstattung und
ihre Akkuratheit wurde sehr viel Wert gelegt, was wohltuend von den üblichen
Mischmasch- oder Phantasie-Uniformen und -Gerätschaften abweicht: die
Rüstungen, Waffen, die Kleidung, aber auch die halbprovisorischen Kastelle –
aus Holz und mit Zelten als Innenbauten – sowie das Piktendorf orientieren sich
an den historischen Vorgaben. Sicher, es gibt auch hier diesen oder jenen
Mangel, so trugen die Legionäre im Westen und Norden des Reiches zumeist die
leichtere Kettenhemdenausrüstung statt der schweren lorica segmata, und
die Offiziere nicht ständig ihre Auszeichnungen auf der Brust, doch im Großen
und Ganzen kommt man den Originalen recht nahe. Ein liebevolles Detail ist
beispielsweise, dass Quintus im verlassenen Nordkastell zum Anzünden eines
umgestürzten Wagens eine Öllampe in antiker Form ausgießt. Die überlieferten
Zeitabläufe werden ebenfalls grob eingehalten. Umso erstaunlicher ist eine
frappierende Auffälligkeit: der Name des Statthalters Agricola. Zwar war ein
Mann dieses Namens Statthalter in Britannien, doch gut vierzig Jahre früher.
Wir kennen ihn und seine Amtszeit im Norden ziemlich genau, denn er hatte einen
berühmten Schwiegersohn, der seine Biographie verfasst hat: Tacitus. Der
historische Agricola war auch keineswegs ein reiner intriganter
Schreibtischstratege, sondern als Feldherr Sieger gegen die Nordstämme in der
berühmten Schlacht am Mons Graupius 83 oder 84 n.Chr. – an der auch die 9.
Legion teilnahm. Die Völker des Nordens nannte man damals auch noch nicht
Pikten, sondern zusammenfassend Caledonier, der erstere Begriff taucht erst im
4. Jahrhundert nach Christus auf. Das Piktische, das im Film gesprochen wird,
ist aufgrund mangelnder Kenntnisse über diese Sprache schottisches Gälisch,
dafür jedoch tatsächlich akkurat, d.h. die Schauspieler sprechen auf Gälisch
die in den Untertiteln übersetzten Sätze.
Auch dies verweist darauf, dass man
sich viel Mühe gemacht hat, die erwähnte Authentizität herzustellen. Nicht in
geringem Umfang gehört hierzu, dass in Schottland gedreht und dabei keinerlei
Rücksichten auf die Befindlichkeiten der Schauspieler genommen wurde, was
Wetterverhältnisse und die Umgebung anging – die Darsteller mussten in ihrer
Kleidung bzw. Rüstung ins Wasser oder in den Dreck, wenn dies erforderlich war.
Frost, Regen und Schneefall sind tatsächlich überwiegend Frost, Regen und
Schneefall. Einen seltsamen Kontrast zu diesem Realismuskonzept bieten deshalb
die sehr auffälligen Kampf- und Folterszenen. Hier wird nicht an Übertreibungen
gespart. So sehr es dem Film gelingt, etwa das langwierige und zermürbende
Warten der Soldaten abzubilden, ihren Frust über das Verweigern der Pikten,
sich in eine offene Feldschlacht zu begeben, und so sehr lobenswert es ist,
dass die Grausamkeit nach der Schlacht gezeigt wird, wenn Quintus und die
wenigen Überlebenden gänzlich unheroisch zwischen den vielen verstümmelten
Toten hindurchgehen – ein im Sandalenfilm selten gezeigtes Bild – so
übertrieben brutal wirken die jeweiligen Kampfszenen. Es gibt kaum Gliedmaßen,
die nicht irgendwann irgendwem abgetrennt werden und keine Waffe vom Pfeil bis
zum Metzgerbeil, die nicht irgendwann irgendwem in den Körper fliegt, dem
Zuschauer bleibt kaum etwas erspart. Während die vorher erwähnten Szenen in
ihrem Bemühen, das wenig romantische Bild der antiken Kriegsführung
hervorzuheben, neue Wege gehen, wirkt diese Liebe zum Splatter zu plakativ.
Erklärbar ist sie vermutlich aus der Herkunft des Regisseurs vom Horrorfilm, wo
er sich mit solchen Szenarien einen Namen gemacht hatte – negative, aber
konsequente Folge: in Deutschland trug dies dem Film ein FSK-Urteil 18 ein.
Anders als bei solch einem
cineastischen Vorleben des Autorenfilmers Marshall möglicherweise erwartbar,
hält sich Centurion ebenfalls wohltuend (fast) von jeglichem
metaphysischen Überbau fern. Übernatürliches, Mystisches oder den christlichen
Einschlag zahlreicher Streifen des Genres sucht man vergebens – im Gegenteil.
Dort wo es aufzutreten scheint, wird jeweils eine rational-nüchterne
Gegenerklärung mitgeliefert. So werden die beide stark kontrastierenden
Frauengestalten Etain und Arianne zwar als eine Art schamanische Zauberin
präsentiert: Etain erweist sich als untäuschbare Verfolgerin, die auch gewisse
Riten vollzieht, Arianne ist das positive Gegenbild, welches medizinische
Kenntnisse besitzt und die Natur, in der sie lebt, um sich herum beherrscht.
Genau dies ist bereits die Erklärung: beide Figuren ziehen ihre Vorteile
lediglich aus genauer Kenntnis der Natur, die Riten Etains sind nur Bei- oder
Blendwerk. Ihre Eigenschaft als hervorragende Fährtenleserin hat nichts
Übernatürliches, sondern beruht auf genauer Beobachtung, auch wenn dies den
Legionären unheimlich vorkommt, die sie als demon und part-wolf
beschreiben. Angemerkt sei, dass sie ihr die Spurensuche kaum sehr schwer
machen: nicht nur lassen sie das getötete Wild offen in der Landschaft liegen,
mehrfach laufen sie mitten durch freie Schneeflächen, dadurch deutliche
Schneisen hinterlassend.
Ein weiteres gängiges Schema wurde
bereits im Verhalten der Frau Agricolas angedeutet. Sein Beweggrund, endgültig
den Sieg über die Pikten herbeizuführen, ist weder politisch noch militärisch,
sondern eigennützig: kurz vor seinem Aufbruch nach Rom möchte er dort einen
Erfolg aufweisen, um sich für höhere Ämter zu empfehlen. Skrupel, dieses
egoistische Motiv vor Virilus, dem Kommandanten der 9. Legion, zuzugeben hat er
nicht, beruft er sich doch auf seine Befehlsgewalt. Dieser hält ihm
anschließend den geradezu klassischen Satz entgegen: Governor, you’re the
politician, I’m just a simple soldier. Erneut trifft der intrigante,
korrupte und ränkeschmiedende Politiker auf den ehrlichen und einfachen
Soldaten, der diesem als Spielball dient. Dass hier der zeitgenössische
Hintergrund der Entstehung des Filmes mitspielt, macht auch ein Satz Quintus’
deutlich, den er angesichts der neuen Politik Hadrians äußert, sich hinter eine
starke defensive Position zurückzuziehen: Then we fought for nothing.
Der Soldat erscheint ein weiteres Mal nur als Schachfigur von Verhältnissen,
die er nicht durchblickt und die ihm unsinnig erscheinen – dementsprechend
lässt Agricola am Ende das Symbol der 9. Legion auf seiner Generalstabskarte,
eine Reiterstatue, buchstäblich von der Bildfläche verschwinden.
Die Charakterisierung der Legionäre
geht folgerichtig nicht über das gewohnte Maß an Kameraderie,
Männlichkeitsritualen und zotigem Humor hinaus. Abgott der Soldaten ist ihr
General: scholar, father, brother, god, wird er halbironisch genannt und
in der Beschreibung, er sei ein ruthless, reckless bastard liegt nicht
Verachtung, sondern Faszination: and I’d die for him without
hesitation. Dies markiert den schwächsten Punkt des gesamten Filmes: selbst
der stets melancholisch-nachdenklich wirkende Quintus, der nicht dem Ideal
eines unreflektierten Haudraufs entspricht, werden ungemein plumpe Sätze in den
Mund gelegt wie My father – nebenbei: ein berühmter Gladiator – taught
me that in life, duty and honour matter above all things. Das möchte man
nicht hoffen. Grotesk auch seine pseudophilosophischen Gedanken auf der Flucht:
These men are the best I’ve ever seen. Am I worthy to lead them? Der erste
Teil ist offensichtlich ein krasses Fehlurteil: unter ihnen befinden sich
Nörgler wie Macros, der sich nur widerwillig den Anweisungen Quintus fügt, ein
zwar sympathischer, aber doch kaum unter soldatischen Anforderungen als the
best I’ve ever seen zu betrachtender Koch aus dem Tross und der Verräter
und Verursacher der derzeitigen Misere Thax. Über wenig mehr als Phrasenhaftes
erheben sich die Dialoge des Filmes leider kaum.
Mit der verheerenden Niederlage im
Wald, von der man sich vermutlich durch die Varusschlacht hat inspirieren
lassen, beginnt das anfangs erwähnte Abzählschema. Die wenigen Überlebenden
sind ab diesem Zeitpunkt Freiwild für die siegreichen Pikten, die Jagd auf dem
Gemetzel entkommene Legionäre machen. Dieser Suche entkommen die sieben
Soldaten unter dem Kommando Quintus’ zwar – sie sind eine gelungene
Repräsentation der Größe des Römischen Reiches mit Mitgliedern aus allen drei
damals bekannten Kontinenten – doch setzt sie das misslungene Vorhaben der
Befreiung des Generals einer erneuten, nun noch zielstrebigeren Verfolgung aus.
Der Grund hierfür ist jedoch ein neuer: in einer seltsam schwammigen
Schlüsselszene tötet der Legionär Thax heimlich den Sohn Gorlacons. Undeutlich
bleibt die Szene, weil es erst so wirkt, als würde Thax den Jungen, der ihn in
der Hütte des Häuptlings zufällig aufstöbert, versehentlich beim Versuch, ihn
zum Schweigen zu bringen, erwürgen. Den eigentlichen Tötungsakt sieht man nicht.
Als er die Hütte verlässt, schickt er dem nun toten Kind ein for the Ninth
hinterher – was wiederum nach vorsätzlicher Rache klingt. Da er außerdem vorher
bereits als nicht gerade sympathischer Charakter eingeführt worden ist, der
sich grob sexuell an Etain herangemacht hat, und aufgrund seines späteren
Verhaltens wird eine negative Lesart zwar eindeutig bevorzugt, aus der Szene
selbst geht sie jedoch nicht unbedingt hervor. Wie auch immer, die Folgen sind
klar: Gorlacon will Rache an den verantwortlichen Römern. Deren ständige Flucht
wird verkörpert durch das Laufen. Wenn sie sich nicht gerade ausruhen, sind sie
in Bewegung, Sinnbild ihrer Unfreiheit. Selbst das geschnitzte Pferd, das
Quintus als Geschenk Arianne hinterlässt, ist in einem Moment der Bewegung
festgehalten. We are the prey, so Quintus, und die Großaufnahmen der nun
sieben Männer in menschenverlorenen Landschaften wiederholen sich. Dass sie
hierbei zunehmend ihre römische Identität verlieren, zeichnet sich auch an der
Transformation ihrer Kleidung ab: nach der Schlacht legen sie ihre schweren
Rüstungen ab, vor dem Sprung ins Wasser weitere Teile, bis sie sich äußerlich
immer mehr ihren Feinden angepasst haben – für Bothos am Ende eine tödliche
Entwicklung. Römischen Boden betreten kann der letzte Überlebende Quintus nur,
nachdem er wieder seine traditionelle Tunika trägt.
Es gibt ein interessantes
wiederkehrendes Motiv in dem Film, das noch dazu im Widerspruch steht zum
erwähnten Männlichkeitskult, der unter den Soldaten herrscht und den der Film
sonst relativ ungebrochen transportiert. Dreimal werden Personen beim stehenden
Urinieren gezeigt: zu Beginn der Quintus übergeordnete Zenturio, der sich auf
der Kastellmauer erleichtert und deshalb als leicht erkennbares Ziel als erster
den Tod beim Überfall der Pikten erleidet. Der gefangene Quintus wird der
Folter des Waterboarding unterzogen, wobei Gorlacon als zusätzliche Demütigung
vorher in das Fass pinkelt. Und drittens schlägt Quintus selbst frühmorgendlich
sein Wasser in den Fluss ab, bevor er bemerkt, dass gleich neben ihm Arianne
dort Fische fängt. Auch wenn letzterer Moment für einen der wenigen
entspannenden comic reliefs liefert, ist es interessant, dass in allen
drei Fällen dieses machistische Symbol für Quintus einen Moment der Demütigung
und der Unsicherheit beinhaltet. Der Tod des Zenturio ist der Beginn seiner
Dauerflucht und persönlichen Misere, die Folter ist ein buchstäblicher, das
Ertapptwerden am Fluss im übertragenen Sinne ein peinlicher Moment. Das
Urinieren – passiv und aktiv – geht stets einher mit Schutzlosigkeit.
Darin deutet sich ein grundlegender
Zug des gesamten Filmes an. Centurion basiert auf einer durch und durch
pessimistischen Weltsicht. Etwas plakativ formuliert gilt hier Murphys Gesetz
in voller Konsequenz: was schief gehen kann, geht schief. Egal welche
Motivation die einzelnen Personen haben, ob gute oder schlechte, ihre Vorhaben
sind nicht von Erfolg gekrönt. Die Intrigen Agricolas, erst der anvisierte
prestigeträchtige Sieg, dann die Beseitigung Quintus’: gehen schief. Virilus
ungewollter Feldzug: endet in einer desatrösen Falle. Quintus Befreiungsversuch
des Generals: scheitert und führt zu neuem Unglück durch die Tötung des Kindes.
Gorlacons Sieg über die Römer hat indirekt den Tod seines Sohnes zufolge, sein
Auftrag der Blutrache wird den gesamten Verfolgungstrupp das Leben kosten, aber
sein Ziel letztendlich trotzdem verfehlen: Quintus überlebt (vermutlich).
Dieser wiederum erfüllt den Auftrag des Generals nicht: er bringt keinen der
ihm anvertrauten Legionäre zurück auf römisches Gebiet. Statt Lohn erwartet ihn
dort ein Mordanschlag. Auch ist so gut wie niemand in diesem Universum
unschuldig: zwar sind die Pikten dank ihrer Vorgeschichte als Opfer römischer
Unterdrückung keineswegs rein böse Gestalten, Gorlacons Motive sowie Etains
Rachsucht werden dadurch jedoch trotzdem auf rein persönliche Ursachen
reduziert – wie Agricola seinem Ehrgeiz, dienen folglich auch sie nicht der
höheren Sache – Befreiung vom römischen Joch – sondern nutzen diese, um eigene
Ziele zu instrumentalisieren. Nicht einmal das getötete Kind ist unschuldig –
es hat sich vorher an der Folterung des Virilus’ beteiligt. Dem entspricht auch
der Schluss. Zwar wird Ariannes Hütte auf ihrer Lichtung am rauschenden Fluss,
wo selbst der Schneefall noch sonnendurchleuchtet ist, wie ein Idyll
präsentiert und explizit sanctuary genannt, doch ist dieser Zufluchtsort
prekär. Arianne ist eine Außenseiterin, von Gorlacon gezeichnet und verstoßen,
und für Quintus gilt dasselbe, er wurde von seinem Volk im wahrsten Sinne des
Wortes ausgegrenzt. Die Hütte ist alles andere als ein sicherer Schutzort –
doch es ist ohnehin nicht klar, ob Quintus überlebt hat: schwerverletzt fällt
er vor Arianne vom Pferd.
Diese wenig erbauliche Weltsicht, der damit einhergehend abwesende
metaphysische Überbau sowie das erwähnte Bemühen um eine gewisse Authentizität
machen Centurion trotz aller erwähnten und teils groben Mängel,
Stereotypen und fragwürdiger Ideologie zu einem ungewöhnlichen Exempel
innerhalb des Sandalenfilmgenres. Hinzukommt, dass der Kernplot, d.h.
Geschichte und Ursachen der Flucht, durchaus Plausibilität und eine
nachvollziehbare Logik besitzen, was ja nicht unbedingt zu den
hervorstechendsten Eigenschaften solcher Filme gehört. Den fatalistischen Grundzug
seines Werkes unterstreicht Regisseur Neil Marshall zusätzlich durch eine
ironische Brechung, indem er selbst die Rolle des römischen Legionärs auf dem
Hadrianswall übernimmt, der den freudig heranreitenden Bothos aufgrund eines
Missverständnis per Bogenschuss tötet. So wenig die Charaktere durch Tiefe oder
Fähigkeit zum Wandel auffallen, so sehr nutzt das hervorragend besetzte
Schauspielerensemble das geringe Potential der ihnen vorgegebenen Figuren. Eine
schöne Pointe ist, dass auch Agricolas immanentes Vorhaben, das Schicksal der
9. Legion vergessen zu machen, auf der externen Metaebene zum Scheitern
verurteilt ist – durch Filme wie Centurion.