Katharina von Alexandrien
Katherine of Alexandria / Decline of
an Empire GB 2014
110 min.
Regie: Michael
Redwood
Buch: Michael
Redwood
DarstellerInnen:
Nicole Keniheart (Katharina), Peter O’Toole (Gallus), Joss
Ackland (Rufus), Steven Berkoff (Liberius), Edward Fox (Kaiser
Constantius), Jack Goddard (Constantin), Dudley Sutton (Marcellus),
Samantha Beckinsale (Vita), Jean Marlow (Helena), Julien Valon (Maxentius)
u.v.m.
Ziemlich am Ende
des Abspanns des Films Katharina von Alexandrien wird folgender Hinweis
eingeblendet: This story is based on historical events. In certain cases/incidents,
characters and timelines have been changed for dramatic purposes. Certain
characters may be composites, or entirely fictitious. An und für sich wird hiermit
nur die Grundlage jeden historischen Erzählens, sei es im Film, sei es in der
Literatur, definiert, eine Selbstverständlichkeit, die jedem Zuschauer eines
Sandalenfilmes – hoffentlich – bewusst sein dürfte. Womöglich kann es trotzdem
nicht schaden, darauf noch einmal aufmerksam zu machen, auch wenn die Stelle,
an der dies geschieht, der Aufmerksamkeit des überwiegenden Teils des Publikums
sicher entgehen dürfte. Und doch irritiert der Vermerk, gerade weil er an den
beliebten Satz Based on a true story erinnert, der gerne verwendet wird,
um besondere Authentizität zu suggerieren. Hinzukommt, dass die Sätze am Ende
des Filmes auftauchen, selbst dem historischen Laien dürfte zu diesem Zeitpunkt
einiges doch recht fragwürdig vorgekommen sein und der mit der Geschichte näher
Vertraute wird sie selbst als reichlich fictitious abtun.
Nun könnte die Crux daran liegen,
dass hier eine Heiligenlegende verfilmt wurde. Dies ist immerhin schon ein
mutiges, eher ungewöhnliches Unterfangen, das man so allenfalls von amerikanischen
religiösen Filmproduzenten kennt, die für ihren eigenen kleinen Markt solche Biopics
drehen, die darüber hinaus wenig Aufmerksamkeit erregen. Zwar erfolgte auch die
Veröffentlichung Katharinas von Alexandrien sogleich auf DVD und kam
nicht in die Kinos, die Gründe hierfür und überhaupt der Hintergrund des
Projekts dürften jedoch anders gelegen haben, hier hat kein Orden mit großem
Aufwand das Leben seines Stifters verfilmt. Auch der alternative Titel des
Filmes, Decline of an Empire, der von der christlichen Thematik nichts
erkennen lässt, weist darauf hin, dass hier an ein weit größeres Publikum
gedacht war. Eine Heiligenlegende für alle im Jahr 2014 also. Nun gilt das
Genre der Legenden, eine eigenständige Erzählkategorie darstellend, per se als notorisch
historisch unzuverlässig, dies, könnte man durchaus sagen, ist sogar eines
seiner Definitionsmerkmale. Zwar existiert ein grober historischer Rahmen, doch
die Geschehnisse und Handlungen unterliegen eigenen Gesetzen, denen, je
nachdem, ein biographischer Kern zugrunde liegt, Sinn und Zweck einer Legende
liegen jedoch gänzlich woanders als in einer exakten Lebensbeschreibung. Gerade
die heilige Katharina ist hierfür ein exemplarischer Fall, worauf der Film am
Ende – noch vor dem Abspann – ebenfalls kurz eingeht. Während der großen
Reformprozesse innerhalb der katholischen Kirche in den 1960er Jahren ging man
auch daran, den Heiligenkalender zu durchforsten, wobei die historische
Existenz einiger Personen besonders aus der Antike plötzlich als äußerst
fragwürdig erschien. Darunter auch die volkstümlich seit Jahrhunderten sehr
beliebte Katharina. Die wenigen konkreten historischen Überlieferungen ließen
sich nicht zweifelsfrei verifizieren, 1969 wurde Katharina aus dem römischen
Verzeichnis entfernt – eine reichlich kuriose Situation, bedenkt man die
zahlreichen Kirchen, die nach ihr benannt sind, dazu die Abertausenden von
Katharinenbildnisse in den Gotteshäusern und anderswo. Anfang der 2000er Jahre
wurde die harsche Entscheidung aufgehoben, Katharina kehrte sozusagen offiziell
rehabilitiert zurück. Eine der Begründungen klingt fast wie der eingangs
angeführte Satz: man geht bei einigen der berühmtesten Heiligen der Antike
davon aus, dass es sich um kompositorische Personen handelt, das heißt, die Biographien
mehrerer Personen – womöglich auch gleichen Namens – sind im Laufe der
Überlieferung zusammengefallen. Denkbar ist folglich, dass eine gebildete Frau
während der Christenverfolgungen ihren Glauben vor Gelehrten zu verteidigen
hatte, eine andere am Hof Christin war und wiederum eine andere hingerichtet
wurde, und dies im Nachhinein alles vermengt wurde zu einer Figur.
Getrost könnte man folglich
einräumen und dem Film zugute halten, sein doch äußerst laxer Umgang mit
historischen Fakten sei in der Vorlage begründet, was stichhaltig wäre, würde
sich der Film an der Vorlage orientieren. Was er nur in einem ähnlich groben
Maße tut wie mit der Historie. Was letztere angeht, so sei es von vorneherein
angemerkt, dass abgesehen von einem sehr rudimentären Zeitrahmen, der auch nur
für Zuschauer nachvollziehbar ist, die mit den Ereignissen selbst schon
vertraut sind, und der die Jahre zwischen 305 und 310 umfassen dürfte,
lediglich einige Orts- und Personennamen noch authentisch sind. Doch selbst
hier werden nicht einmal grundlegende Kenntnisse beachtet: Maxentius wird zum
oströmischen Kaiser – er war jedoch tatsächlich stets im Westen zugange; und
nebenbei nie Kaiser, sondern ein Usurpator, auch war er kein Christenverfolger.
Constantius kämpft richtigerweise in Britannien, Constantin wird aber als eine
Art Söldner von fremder Herkunft geschildert, ein Jugendfreund Katharinas aus
Ägypten, er nennt sich selbst einmal im Film Jabaleaner, mehrfach betont
er sogar I owe Rome nothing! und das er schon in mehreren Armeen gedient
habe. Dem echten Konstantin dürfte dies nicht gefallen haben, es hätte ich ihn
jeglicher Legitimität beraubt. Die er jedoch weniger nötig hatte, da er
schlicht der Sohn des Constantius (Chlorus) war, der ihn zu seinem Nachfolger
bestimmte. Mit anderen Worten, selbst einfachste Grundgegebenheiten werden hier
verändert, teils ohne erkennbare Notwendigkeit. Dies gilt, umso
bemerkenswerter, wie erwähnt, auch für die legendarische Vorlage – erwähnt sei
nur, dass in ihr Constantin keinerlei Rolle spielt und Katharina keine arme
Nomadentochter, sondern eine hochgebildete und vor ihrem Übertritt zum
Christentum eitle und versnobte zypriotische Prinzessin aus reichem Königshause
war.
Doch zum Film selbst. Der Einstieg
ist klassisch: zwar gibt es keine Karte – die wird später einmal auf der
Ägyptenreise kurz nachgereicht – und keine Stimme aus dem Off, aber immerhin
doch den einführenden Text. Dieser birgt gleich eine handfeste Überraschung.
Eine Gruppe fast ausschließlich weiblicher Rebellen im Norden Britanniens took
up the fight against Rome’s enforced pagan worship, inspiriert durch von
Sklavinnen in das Land geschmuggelte Schriften einer ägyptischen Prophetin –
Katharina, wie sich herausstellen wird. Diese Art von weiblicher Solidarität
ist ein wiederkehrendes Motiv im Film, über dessen Absurdität vorerst noch kein
Wort verloren werden soll. Das Abstruse der Interpretation dieser
Auseinandersetzung zwischen Rom und den Pikten – um die es wohl gehen dürfte,
auch wenn sie so nie benannt werden – kann man nur hinnehmen. Tatsächlich
führte Constantius zu Beginn des 4. Jahrhunderts einen Piktenfeldzug, religiöse
Gründe lagen hierfür jedoch unter Garantie nicht vor. Die Verknüpfung der
Katharinenlegende mit einem angeblichen Konflikt Heiden versus Christentum,
der, wohl von der Tatsache ausgehend, dass bei den Pikten auch weibliche
Krieger existiert haben sollen – siehe Centurion – zusätzlich zu einem
Geschlechterkampf stilisiert wird, ist denn doch mehr als gewagt, schon recht
nah am Grotesken. Es fällt sehr schwer, da die rebellischen Kriegerinnen denn
auch noch erfolgreich agieren, dahinter nicht den schon mehrfach eher ungut
erkennbaren britischen Nationalismus zu übersehen. Die Katharina-Geschichte
wäre auch sehr gut ohne diesen Seitenaspekt ausgekommen – selbst im Film gibt
es von ihr aus nie einen Hinweis auf die britischen Frauenkrieger vom ziemlich
ganz anderen Ende des Römischen Reiches. Diese sehen, nebenbei bemerkt, eher
wie eine Mischung aus Steinzeitmenschen und indianischen Schamaninnen aus – positiv
anzumerken ist, dass sie als einzige so etwas wie Humor zu besitzen scheinen,
erholsam in einem Film, der sich sonst so sehr getragen gibt.
Der eigentliche Beginn des Filmes –
nach dem Texteinschub – ist jedoch ein Idyll. Kinder spielen im Sonnenlicht am
Meer, Wellen brausen sanft heran. Kitschmotive kehren mehrfach wieder, stets in
Verbindung mit Katharina. Diese, noch ein junges Mädchen, lebt als Nomadin mit
ihrer Familie am Strand, sie schreibt in weißem Gewand Texte auf Papyrus.
Offenkundig beschäftigt sie sich mit christlicher Philosophie, sie spricht,
erfahren wir bald, mehrere Sprachen. Der Inhalt des Geschriebenen ist zugleich
ihr eigener Auftrag der Verkündigung – einen Zuhörer hat sie bereits, einen
Jungen, erst später wird klar, dass es sich um Constantin handelt. Ein
römischer Reitertrupp stört das beschauliche Lagerleben, aggressiv fordert
dessen Anführer, dunkel eingehüllt und durch eine Art schwarzen Normannenhelm
unkenntlich, Geld für die Nutzung des Landes, in einem anschließenden Massaker
lässt er die dort wohnenden Familien umbringen. Die junge Katharina, deren
frühreife Gelehrtheit ihn offenbar fasziniert, lässt er allerdings mitnehmen.
Und es gibt einen weiteren Überlebenden, der in der Folge wiederkehren wird.
Katharina aber wird an den Hof gebracht, der Anführer war niemand anderes als
der römische Imperator des Ostens, Maxentius, der sie nun von seinen Gelehrten
erziehen lässt, durch den Unterricht erhofft er sich eine Zuwendung des
Mädchens hin zum Heidentum – und naturgemäß zu ihm selbst. Er betrachtet sie
als seine persönliche Gespielin, angezogen von ihrer Schönheit, aber auch ihrem
Verstand.
Dargestellt wird Maxentius durchwegs
als völlig unberechenbarer Geisteskranker, der stets gehörig die Augen zu
rollen und in grober Lautstärke zu sprechen hat. Es wird nicht klar, warum
gerade er, der dafür wenig Vorrausetzungen außer Neid mitbringt, über
Katharinas körperliche Vorzüge hinaus an ihrer Bildung und ihrer Weisheit
interessiert sein sollte. Zurecht ist dies auch für seine Gattin kaum
nachvollziehbar; dass er sich eine weitere, wie sie selbst sagt, arabische
Mätresse hält, sei so natürlich wie verschmerzbar, doch was ihn an Katharina so
sehr anzieht, erschließe sich ihr nicht. Sie unternimmt weit mehr, um Katharina
ihr Geheimnis zu entlocken, auch als Gegnerin, die zwischen Eifersucht und dem
Erkennen der Gefahren, die in den Reden und Texten der jungen Frau liegen,
erweist sie sich als die interessiertere und gewieftere. Sie nimmt sich die
Texte vor, und versucht sie als Poesie abzuwerten, letztlich initiiert sie auch
die Auseinandersetzung mit den Gelehrten, von denen sie sich jedoch enttäuscht
zeigt. Obwohl die Mehrheit der Erzieher und Höflinge Katharina misstrauen, sie
eine Zensur ihrer Schriften erwägen, erweist sich Maxentius’ Vorgehen als
zweischneidig: zumindest der offensichtlich einflussreiche Gallus – Peter
O’Toole in seiner letzten Rolle, womit der Film auch wirbt – sieht in ihren
Reden mehr und gerät unter ihren Einfluss.
Derweil am Hadrianswall. Der Kaiser
des Westens, Constantius, ein älterer Herr, lebt im Feldlager während eines
Feldzugs, der wenig Fortschritte zeigt dank der Guerillataktiken des im Grunde
unterlegenen Gegners – und der Schwäche der eigentlich weit überlegenen eigenen
römischen Armee. Der Film führt diese, auch in Gesprächen, als degenerierte
Söldnertruppe vor, zusammengesetzt aus zahlreichen Elementen des Reiches,
Legionäre, die wenig gemeinsam haben außer einem Drang zur Brutalität, groben
Scherzen und wenig Erfahrung, da viele der Soldaten zu jung sind. Es mutet
reichlich seltsam an, dass gerade Constantin, der ja arabischstämmig sein soll,
jedenfalls dezidierter Nicht-Römer, und sein bester Freund Marinus, ein
Farbiger, sich über die Defizite solch einer Multi-Kulti-Truppe unterhalten –
und dies für die Probleme des Krieges verantwortlich gemacht wird. Abgesehen
von der Unzeitgemässheit der Diskussion, die in einem Vielvölkerreich ohnehin
unpassender kaum sein könnte, schwingt hier erneut ein unguter Ton von
Nationalismus mit, da die Gegner ja schließlich eine homogene, um ihren
Heimatboden erfolgreich kämpfende Gruppe sind. Hinzukommend müsste sich
Constantin, der die römische Armee gegen die Einwände seines Freundes nur
schwach zu verteidigen sucht, damit durchaus selbst anklagen: erwiesenermaßen ist
er ja geradezu der Prototyp des Söldners und die Motive für seinen Dienst für
Rom sind rein egoistisch: er sucht die vermeintlichen Mörder seiner
Jugendfreundin Katharina. Constantius wirft ihm dies explizit vor – was ihn
nicht hindert, ihn später trotz dieser offenkundigen Illoyalität zum
Nachfolger, wohlgemerkt als Herrscher des Römischen Reiches, vorzuschlagen.
Vorerst ist man aber noch mit den raffinierten Kriegerinnen beschäftigt, die
der römischen Vorhut in einem Hinterhalt eine empfindliche Niederlage
beibringen – die Schlachtenszene ist eine der gelungeneren Episoden des Films,
hier wird nichts beschönigt, die Brutalität antiker Kampfführung und Waffen
nicht gemildert. Womöglich ist dies als Kontrast zu sehen zu Katharinas
friedlichem Weltbild, die eher düstere Geographie des Westens gegenüber dem
sonnigen Osten unterstreicht dies auch bildlich. Nicht ganz in Einklang zu
bringen ist damit allerdings, dass die angeblich ja von Katharinas Schriften
direkt inspirierten Rebellinnen an Gewaltbereitschaft den Römern in nichts
nachstehen.
Katharinas Genesung scheint
jedenfalls nicht von langer Dauer, zur Hinrichtung wird sie wieder, deutlich
hinkend, gestützt von Wachen geführt. Ihr Martyrium nimmt sich wiederum dieses
Mal grob der Vorlage an: in der Ikonographie ist Katharina stets an ihrem Rad
erkennbar. Die filmische Umsetzung ist dann aber doch wieder etwas bizarr, wenn
auch nicht ohne Hintergedanken. Statt gerädert zu werden, also auf ein Rad
geflochten, wofür die Gelenke entsprechend gebrochen werden mussten, oder mit
Rädern erschlagen, beides noch weit bis in die Neuzeit übliche
Hinrichtungsmethoden auch hierzulande, wird sie auch nicht wie in der Legende
an vier Räder gebunden quasi gevierteilt, sondern an einem sehr großen Rad –
eher ein Mühlrad – befestigt und an einer Wand hochgezogen. Kurioserweise hat
dieses Rad Stacheln, die jedoch auf der Fläche nach innen, Richtung Nabe
zeigen, also Katharina nicht berühren können und auch so ziemlich unsinnig
erscheinen, außer, dass die dem Gerät ein martialisches Aussehen verleihen.
Dass in einer deutlich sichtbaren Einstellung einer dieser Stacheln auch noch
aus Katharina linkem Oberarm ragt, wobei nicht klar ist, wie er dort hinkommt
und auch die Anordnung des Winkels nicht übereinstimmt, sei nur am Rande
erwähnt. Sinn und Zweck der Anordnung, von einem der Römer vor Ort noch
bestätigend kommentiert, ist allzu deutlich: Katharinas Haltung entspricht
naturgemäß der Christus’ am Kreuz, auch ihr setzen römische Soldaten – mit dem
expliziten Hinweis, sie ihrem Vorbild ähnlich zu machen – eine Dornenkrone auf
und da das Rad an der Wand nicht hält, werden ihre Hände zusätzlich an das Holz
genagelt. Wiederum leidet diese eigentlich klassische Ikonographie für einen
Heiligen, insbesondere einen Märtyrer beziehungsweise eine Märtyrerin, die ein
durchaus beeindruckendes Bild ergibt, an der mangelnden Umsetzung des Films.
Dass die gesamte Konstruktion zu Boden stürzt, scheint eine Anspielung auf die
Legende zu sein – in der zerstören herbeeilende Engel die Räder, weshalb
Katharinendarstellungen immer ein zerbrochenes Rad zeigen – die für den Uneingeweihten jedoch nicht
erkennbar ist. Nun könnte man sie als Motivierung für das Festnageln Katharinas
durch die Soldaten sehen, doch diese Durchschlagen ihre Handgelenke – die davon
nicht betroffene Aufhängung des Rades kann hierdurch sicher nicht stabilisiert
werden. Ungewollt bestätigt sich dies, da das Rad später ein weiteres Mal
abstürzt und Katharina durch den Aufschlag am Boden tötet – in der Legende wird
Katharina nach dem gescheiterten Versuch der Vierteilung schlicht enthauptet.
Vor dem Tod hatte die Gefolterte noch eine Vision, für gewöhnlich empfängt der
christliche Märtyrer Zuspruch und Trost durch Christus oder Gott, hier ist es
etwas überraschend nicht einmal Maria, sondern Katharinas eigene Mutter.
Das Rad auf dem Katharina
festgebunden ist, ist auch identisch mit dem Zeichen, mit dem sich ihre
Anhänger identifizieren, womöglich eine zusätzliche Form der Verhöhnung des
Opfers. Dieser Kreis, der zwar ein Kreuz beinhaltet, insgesamt jedoch durch
weitere Diagonalen eher an eine Sonnendarstellung erinnert – womöglich zu
Tarnzwecken – ist auch Constantin und den Rebellinnen bekannt, wie er erstaunt
feststellen muss. Nachdem er ihre Verbindung mit Katharina erkannt hat, setzt
er bei Constantius einen Friedensschluss durch. Die Kriegerinnen verraten ihm
auch, dass der Kaiser sehr wohl über das Schicksal Katharinas Bescheid wisse –
erstaunlich, welches Wissen die Frauen des abgelegenen Stammes besitzen, ein
Wissen, dass sich Constantin in jahrelanger Suche nicht hat aneignen können,
obwohl er sein ganzes Leben nur diesem Zweck gewidmet hatte. Als er Constantius
zur Rede stellt, gesteht dieser seine Lügen ein, da er Constantin als
Nachfolger ausersehen hatte und ihn nicht abgelenkt wissen wollte. Ob dies
Constantin überzeugt? In jedem Fall erfährt er nun auch, dass Maxentius der
damalige Mörder war – aber auch, dass er zu spät kommt. Der oströmische Kaiser
habe Katharina ermorden lassen und sammle nun eine Armee vor den Toren Roms, um
sich allein auf den Thron zu setzen. Constantins Freund Marinus verkündet im
Anschluss ein Toleranzgebot für alle Religionen, während Constantin selbst
Maxentius entgegenreitet. Statt der historischen Schlacht an der Milvischen
Brücke kommt es zu einem Duell Mann gegen Mann, das Constantin problemlos
gewinnt. Man hat sich keinen langwierigen Schwertkampf vorzustellen, reichlich
brutal und, sofern man dieses Wort in diesem Zusammenhang benutzen möchte,
unehrenhaft erschlägt er den am Boden liegenden Gegner mit einem Stein. Dass
die Schlacht an der Milvischen Brücke – eines der entscheidenden Ereignisse der
Spätantike – nicht dargestellt wird, womöglich aus Budgetgründen, wäre an und
für sich weniger auffallend, wäre nicht kurz zuvor erwähnt worden, dass
Maxentius an genau dieser Stelle Armeen versammelt hat. Constantin, nun
designierter Alleinherrscher, aber durch den Tod Katharinas deprimiert, lässt
sich zu einer Reise nach Ägypten überreden, wo er wenigstens der Toten noch die
letzte Ehre erweisen möchte. Ihre dortigen Anhänger sind ihm gegenüber zurecht
skeptisch, ihre Erfahrungen mit römischen Imperatoren nehmen sie nicht gerade
für ihn ein. Als sie ihm den Leichnam trotzdem nach einigem Zögern bringen,
belohnt er sie mit einer mehr als seltsamen Rede. Er verkündet er sei no
king, ruft set the people free und Rome’s gods are lies.
Letzteres schien diesen durchaus schon bewusst, ersteres dürfte nicht ganz
richtig sein und ziemlich unklar ist, wovon diese Menschen denn nun eigentlich
frei sein sollten? Immerhin verständlich ist, dass Constantin im Anschluss
Katharinas Begräbnisort zur toleranten Gebetsstätte für alle Glaubensrichtungen
erklärt. Während die Menschen ihm lauschen, läuft die wieder jugendliche
Katharina unerkannt durch die Menge, die Menschen dabei sanft an der Schulter
berührend, was einen leichten Goldglanz auslöst. Zum Glück endet der Film nicht
mit dieser letzten Kitschreminiszenz. Es ist genaugenommen auch nicht ganz die
letzte, denn während er aus dem Off spricht, sieht man den sterbenden Gallus in
Großaufnahme, in seinem letzten Atemzügen ein angedeutetes Lächeln, im
Anschluss überblendet von Katharina, predigend in der Arena mit Kindern
drumherum. Die eigentliche Schlussaufnahme ist schließlich mit einem Text
unterlegt, der auf das Schicksal von Katharinas Reliquien und ihre erwähnte
zwischenzeitliche Streichung aus der Heiligenliste eingeht, ein Bild des
Katharinenklosters am Sinai, Gründung Kaiser Justinians im 6. Jahrhundert, das
bis heute die Toleranztradition fortsetzt und Pilgern aller Konfessionen offen
steht.
Toleranz ist ein gutes Stichwort,
was den Umgang mit Katharina von Alexandrien, angeht – vielleicht schon
mit dem deutschen Titel beginnend, Alexandrien gibt es schließlich
nicht, sondern nur Alexandria. Doch der hiesige Verleih scheint sich ohnehin
nicht sonderlich mit Genauigkeiten abzugeben, ziert das Titelbild –
gleichzeitig der Hintergrund für das Hauptmenü der DVD – doch ein Schlachtenbild,
das im Film nicht vorkommt, genauer eindeutig aus einem anderen Werk zu stammen
scheint. Doch womöglich ist dies nur konsequent, führt man sich den schon
mehrfach erwähnten sehr freimütigen Umgang des Films mit der Historie, der
Legende, aber auch der Logik und der Erzählkunst vor Augen. Überprüfbar ist
dies allein schon an einem für Sandalenfilm typischen und noch recht
oberflächlichen Kriterium, der Gestaltung der Kleidung. Diese spiegelt bestens
die These wieder, dass Katharina von Alexandrien stets dazu neigt, sich
selbst ständig in Widersprüche zu verwickeln, selbst in solch einem doch eher
banalen Aspekt. Sicher, die Klage über phantasiereiche Rüstungen kehrt fast in
jedem Sandalenfilm wieder, auch wenn hier seit dem klassischen Zeitalter des
Genres geradezu Quantensprünge stattgefunden haben. In Katharina von
Alexandrien tragen die römischen Soldaten fast ausnahmslos authentische
Helme – diese würden zwar eher einer Armee um 100 nach Christus entsprechen,
aber hier darf man tatsächlich mal sehr tolerant sein. Der Rest der Uniformen,
sieht man vielleicht von den Schwertern ab, entspringt völlig der Phantasie des
Ausstatters. Selbst das alte Lederklischee wird wieder aufgegriffen.
Constantins Aufzug hat mit römischer Kleidung nicht annähernd zu tun, und
Maxentius trägt zum Duell doch tatsächlich zu seinem gewagt schiefsitzenden
goldenen Brustpanzer einen Lederhelm nach dem Pickelhaubenmodell aus Leder, wie
man ihn aus den B-Film-Varianten der 60er Jahre kennt. Fast schon grotesk auch
die lächerlich kleinen Rechteckschilde, die Constantin und Marinus in Ägypten
mit sich herumtragen.
Vielleicht würde man über solche
Dinge hinwegsehen, wäre man von der Schauspielkunst der Akteure oder der
Handlung gefesselt. Doch dies fällt unendlich schwer. Noch einmal spiegelt die
Doppelung des Titels die im Film ständig spürbare Unentschlossenheit wider:
wollte man eher die Geschichte einer Heiligen erzählen, einer starken
weiblichen Hauptfigur oder doch einen klassischen Sandalenfilm? Dies mündet in
die beiden durch den hanebüchenen Kniff der christlichen Rebellinnen
verbundenen Stränge Constantins und Katharinas. Die genretypische Action
verschwindet zugunsten zahlreicher Dialoge – was an und für sich natürlich
nicht verkehrt sein muss, in diesem Fall sogar Sinn ergibt, da Katharina ja mit
Worten streitet, doch die Umsetzung ist teilweise recht nah am unfreiwillig
Komischen. Zahlreiche der Schauspieler und Schauspielerinnen, allen voran
Katharina selbst, sprechen mit einem gewollt hörbaren Akzent. Dies könnte man
durchaus als gelungene Illustrierung des Vielvölkerstaates Rom deuten. Dass die
Nomaden, die Ägypter, die Rebellinnen ein unreines „Latein“ – vielleicht,
gerade im Osten, „Griechisch“ – sprechen, auch Katharina, selbst wenn dies
nicht ganz zu ihrer Gelehrsamkeit passt, sei akzeptiert. Dass dies auch
Maxentius tut – verkörpert von einem französischen Schauspieler – mutet dagegen
wiederum reichlich seltsam an. Wie immer ist nichts konsequent.
Überhaupt das Sprechen. Offenkundig
der Idee geschuldet, eine Legende müsse ein gewisses Pathos, eine
Bedeutungsschwere haben, wird dies mit den einfachsten Mitteln umgesetzt, die
jedwedem Laientheater Unehre machen würden. Katharina sieht ihre Gegenüber –
geradezu exemplarisch im Gespräch mit der oströmischen Kaiserin – so gut wie
nie direkt an, ihr Blick geht an ihrem Dialogpartner vorbei in die Ferne. Das
könnte man schon mal für sehr unhöflich halten – sie ist jedoch nicht die
einzige, die dies praktiziert – ist jedoch in jedem Fall eine am Rande der
Lächerlichkeit changierende Maßnahme zur Darstellung eines vergeistigten
Blicks. Fast alle und wiederum prominent vor allem Katharina betonen fast jedes
Wort, das sie zu sprechen haben, einzeln. Schnelle, spontan wirkende Dialoge
haben Seltenheitswert, jeder Satz wird oft von Pausen begleitet, die ihn
nachklingen lassen sollen, so banal er auch gewesen sein mag. Pausen zur Hebung
des Gesagten oder Gezeigten sind ohnehin eines der ständig wiederkehrenden
Stilmittel des Films. Lange Einstellungen ohne Handlung, ohne Sprechen,
möglichst mit getragener Musik unterlegt, konzentrierte, nachdenkliche Blicke
der Protagonisten, all das führt plakativ Bedeutungsschwere vor, gedankliche
Tiefe und Wichtigkeit. Mit solch plumpen Mitteln wird dem Zuschauer nicht
vertraut, selbst zu entscheiden, was er für bedeutend hält und was nicht.
Deshalb muss Gallus bereits nach fünf Minuten Laufzeit des Filmes als Katharina
als Heilige bezeichnen – es wäre sehr interessant zu wissen, was er – der
heidnische Gelehrte des frühen 4. Jahrhunderts – darunter versteht.
Das hölzerne Agieren der
Schauspieler ist sicher nicht ihren mangelnden Fähigkeiten zuzuschreiben,
zumindest, was die größeren Rollen angeht. Edward Fox als Constantius lässt
noch am ehesten seine Brillanz durchblicken, doch die meisten anderen
verkümmern unter dem Diktat der Regie und dürften ihr Niveau um einiges
unterbieten. Regisseur Michael Redwood, gleichzeitig Drehbuchautor und
Produzent, schafft es nicht, eine einheitliche Geschichte zu erzählen, wie
schon mehrfach erwähnt strotzt der Film von logischen Brüchen, historischem
Nonsens und einer unklaren inkonsequenten Linie. All das verzeiht der
hartgesottene Sandalenfilmzuschauer für gewöhnlich, wenn die Umsetzung stimmt,
wenn Spannung, Charaktere und Bilder solche Defizite gnädig überdecken. Man
möchte mit Redwood, der früher bei Filmen Tony Scotts mitgearbeitet hat, nicht
zu hart ins Gericht gehen, da es sich um seinen Erstling handelt. Allerdings
hat er angeblich eine Fortsetzung des Films angekündigt – diese steht bislang
aus. Soll man hoffen, dass es bei der Ankündigung bleibt oder ihm eine zweite
Chance gerade anhand derselben Thematik einräumen? Peter O’Toole hat die
Veröffentlichung von Katharina von Alexandrien nicht mehr erlebt – man
hätte dem Tiberius des legendären Skandalfilmes Caligula (1979) einen
gelungeneren Abschied von der Leinwand gewünscht.
Reinhard Abeln: Die
heilige Katharina. Leben – Legenden – Bedeutung. Kevelaer: 2012.
Ingemar König: Der
römische Staat, Teil II. Die Kaiserzeit. Stuttgart:1997.
Vorgänger in dieser Reihe: Centurion.
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