Mittwoch, 27. Juni 2018

Suhrkamps Romane des Jahrhunderts (6) - Hermann Broch: Die Schlafwandler.


Hermann Broch: Die Schlafwandler. st 2586
 
Die Schlafwandler wurde in jüngster Zeit zu einem Etikett des Neorevisionismus, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Schuldfragen des Ersten Weltkrieges neu zu verhandeln und zu relativieren, ein Anliegen, dass mit Hermann Brochs Romantrilogie (1886-1951) nichts gemein hat außer den Namen und den Zeitraum der Handlung. Denn auch Brochs von 1928 bis 1931 verfasstes ambitioniertes Werk befasst sich mit der Entstehung des Ersten Weltkrieges und dem Wirken der Mentalitäten vor und mit dessen Ausbruch, verteilt auf drei Etappen im Abstand von je 15 Jahren. 1888 fällt der Blick auf den preußischen Offizier Joachim von Pasenow und die Romantik, 1903 auf den Kontoristen August Esch und die Anarchie, 1918 schließlich auf den Händler Wilhelm Huguenau und die Sachlichkeit.
1888 ist das Dreikaiserjahr, eine Zeit des Umbruchs vom Altpreußischen über das kurze liberale Intermezzo hin zum „persönlichen Regiment“ Kaiser Wilhelms II., ein Übergang, der in den Untergang führt, was noch nicht zu erkennen, aber zu erahnen ist. So ist die eigentliche Romantik dieses Zeitalters die Uniform (23), die vom Militärischen aus alle Gesellschaftsbereiche erfasst hat, eine richtige Uniform gibt ihrem Träger eine deutliche Abgrenzung seiner Person gegenüber ihrer Umwelt (24), sie ist das Stützkorsett, eine zweite und dichtere Haut (24), die für die Ordnung des Staates, die Sicherheit der Religion und die Liebe zur Tradition steht. Und der alles Zivilistische verdächtigt sein muss. So empfindet es auch Joachim von Pasenow, Sohn eines Landjunkers, Offizier in Berlin, vorgesehener Erbe des Gutes, gute Partie für den benachbarten Adel. Doch die Berliner Welt ist gleichwohl eine andere – eine unromantische, gewissermaßen – mit allerlei das eigene Weltbild in Erschütterung bringenden Gefahren: da ist Joachims Freund Bertrand, der die Armee verlassen hat und nun als Geschäftsmann um die Welt reist, über den Tellerrand blickt und dadurch Freiheit gewinnt. Und da ist die Liebe zur unstandesgemäßen Ruzena, einer Böhmin, emotional und unbeherrscht. Dem steht Joachims Herkunft und Familie gegenüber: der Vater, der ihn als Nachfolger aus der Armee lösen will und zunehmend den Verstand verliert, die unscheinbare Mutter, der ganz andere Bruder. Joachim findet sich in diesen Zwischenwelten nicht zurecht, was sich nicht fügt, sieht er als gottgewollte Prüfungen (141) an, die Krankheit seines Vaters, den Tod des Bruders, Ruzenas schwankende Leidenschaften, vor allem jedoch sein Verhältnis zu Bertrand, der ihm Verlockung des Teufels (145) und Verbündeter zugleich ist, den er im Inneren verachtet und dessen Rat er doch stets sucht und folgt. „Wir sind nicht fremd genug und wir sind nicht vertraut genug“ (176), so Pasenows Braut Elisabeth, die er heiraten wird, ohne den Willen dazu zu haben, wie ihm überhaupt der Willen fehlt, er ist ein Getriebener, der sich an den überlieferten Konventionen entlanghangelt, ohne bewusste Entscheidungen zu treffen, ein Schlafwandler durch seine Gegenwart.
August Esch ist hier einige Schritte weiter, er schwankt zwischen Selbstbewusstsein und fehlendem Gespür, ihm fehlt das stützende Korsett des Militärs und der Tradition, doch auch sein zutiefst verinnerlichtes Ziel ist die Ordnung, sie muß sein, wenn man hinaufkommen will (186). Sein kaufmännisches Denken lässt ihn diese Sehnsucht in recht einfachen Schemata ausdrücken: Das war gegen alle buchhalterische Regel, die bekanntlich zu jeder Post ihren Gegenpost verlangt (242) und so versucht Esch, auch im Leben jeden Rückschlag wieder auszugleichen. Diese Rationalisierung, die naturgemäß im Alltag selten solch klare Ausformung findet, führt ihn zu immer stärkeren Projektionen, um sich dieses Nichteinanderfügen der Umstände erklärbar zu machen. Für die Haft seines sozialdemokratischen Bekannten – mit dessen Sache sich Esch im Übrigen als guter Kleinbürger keineswegs identifiziert, sie steht oberflächlich für die titelgebende Anarchie – muss es einen Grund, aber vor allem auch eine Gegenstrafe geben. Esch macht hierfür den Konzernchef Bertrand – eben jenen Bertrand – aus, der zwar selbst von seinen sozialistischen Gegnern geschätzt, von Esch aber über eine irrationale Konstruktion verantwortlich gemacht und in den Selbstmord getrieben wird. Analog zu Pasenow wird auch Esch eine Frau heiraten, von der er nicht weiß, warum er sie heiratet, auch er offenbart dasselbe Unwissen über sich selbst, das schlafwandlerische Sichtreibenlassen, verbrämt durch Platituden wie Wer sich opfert, ist anständig (279). Am Ende geht er einen Kompromiss mit sich selbst ein: er behält seine Illusionen – etwa eine Flucht nach Amerika – bei, verfolgt diese aber nicht mehr.
Der dritte Teil, doppelt so lange wie die beiden ersten, spitzt Inhalt und Form zu, wozu das sich anbahnende Chaos von Kriegsende und Niederlage den passenden Hintergrund bildet. Wilhelm Huguenau, ein Elsässer und damit qua Herkunft eine zwiegespaltene Figur ohne feste Bindungen, ist ein Deserteur. Doch nicht aus Kriegsverdruss, sondern aus Gelegenheit. Er ist tatsächlich sachlich: der Krieg bringt ihm persönlich nichts, höchstens körperlichen Schaden, also verlässt er den Schützengraben. Seine schlafwandlerische Sicherheit (390) lässt ihn fortan alle Gefahren überstehen, ihn aufsteigen und als Kriegsgewinnler am Ende dem Ganzen entkommen. Huguenau ist der formvollendete Opportunist, frei von übergeordneten Motiven, Bedenken und Ideologie, er sah klar in die Welt; man muss bloß wissen, wo der Feind steht, dann kann man, wenn’s drauf ankommt, einen Frontwechsel vornehmen (650). Die Gesellschaft um ihn herum zerfällt: Esch, mittlerweile Herausgeber einer kleinen rheinischen Zeitung, verfällt der religiösen Mystik – Anlass hierzu war ein Leitartikel des Stadtkommandanten von Pasenow, der sich ebenfalls in die Religion zurückgezogen hat, die in Parallelhandlungen in Form einer Berliner Judengemeinschaft und des Heilsarmeemädchens einen weiteren Handlungsstrang bestimmt. Huguenau wird Esch hinterrücks und skrupellos während der Revolutionstage ermorden, wiederum nicht aus Überzeugung, sondern aus Gelegenheit. Pasenow verfällt dem Wahn und tritt auch damit letztlich das Erbe seines Vaters an. Ihn, aber auch Esch, trieb schon in den ersten Teilen der Trilogie, die hier klar formulierte Angst an, die Angst, sinnlos auf Erden gewandelt zu sein, unbeholfen und sinnlos und hilflos ins Nichts gehen zu müssen (557).
Diese Angst ist berechtigt, wie die Kommentare des Philosophen, die als Einschübe unter dem Titel Zerfall der Werte, belegen, die angesichts der Tatsache, dass der Einzelne, ohne selbst wahnsinnig zu sein, sich in und mit dem Wahnsinn zurechtfindet, der ihn umgibt: Sind wir wahnsinnig, weil wir nicht wahnsinnig geworden sind? (419). Muss jemand nicht wahnsinnig sein, der auszieht, um befehlsmäßig zu töten und um danach wieder friedlich ins bürgerliche Leben zurückkehren, wie kann er Alltag und Brutalität trennen? Brochs Gedanken auf diesen Seiten sind mehr als prophetisch – nicht umsonst enden diese Überlegungen mit der Feststellung: Deshalb wohl sehnen wir uns nach dem „Führer“, damit er uns die Motivation zu einem Geschehen liefere, das wir ohne ihn wahnsinnig nennen können (421).
Brochs Thema ist die Sinnsuche, die Sinngebung in einer zerfallenden Welt, die Inhalt und Form seiner Romantrilogie bestimmen. Pasenow kann die auseinanderdriftenden Elemente seiner Welt, die äußerlich noch fest verankert zu sein scheint, nicht mehr in sich vereinen. Wie seine Nachfolger ersetzt er zunehmend das Rationale durch das Irrationale, um die sich auftuenden, aber geleugneten Lücken im Weltbild zu schließen. Wie gesagt ist die Umwelt im ersten Band, der sich nicht umsonst stilistisch und geographisch sehr fontanehaft gibt, noch oberflächlich zu kitten – am Ende wird auch dies nicht mehr der Fall sein, weshalb Pasenow erst der Religion und dann der Flucht in die Krankheit nachgibt. Esch ist das „anarchische“ Zwischenstadium, der Versuch, eine austarierte Ordnung zu errichten, was letztlich aber nur zu einem immer größeren Einbruch des Irrationalen führt, der sich wiederum im Stil niderschlägt– Passagen, die unentscheidbar zwischen Traum und Realität changieren – und ebenso wie Pasenows Bemühen im dritten Teil scheitern. In diesem bricht auch die Form endgültig auseinander: während die Haupthandlung, in verschiedenen Strängen zusammengeführt, sachlich berichtet wird, sind Essays, Lyrik, Dramenteile dazwischengesetzt. Broch hat hier erkennbare Experimente ganz im Sinne des von ihm bewunderten James Joyce in späteren Romanen wie Der Verzauberung und Der Tod des Vergil weiter radikalisiert. Da es kein Wertesystem mehr gibt, das dem Zwecke dient, all das Irrationale zu verdecken und zu bändigen (689), besteht lediglich der Profiteur Huguenau, ein wertfreier Mensch (693), der zwar nicht minder von Irrationalem geprägt ist – was ihn den Mord an Esch begehen lassen wird – doch der gar nicht mehr den Versuch unternimmt, dieses zu deuten und zu integrieren. Er bleibt, wie er sich selbst sieht, stets sachlich. Nun, Hermann Broch ist nicht nur ein bis heute zwar nicht unterschätzter, aber viel zu wenig bekannter Romancier, er war auch ein Analytiker seiner Zeit. Neben einer Theorie des Kitsches, den er als Ausdruck eines gefährlichen falschen Bewusstseins sah, verfasste er auch umfassende Studien zum Massenwahn. Beides, Romane und Essays, sind notwendige Lektüre, aktueller denn je.

Vorgänger: Julio Cortázar - Rayuela.       
          

Freitag, 22. Juni 2018

Das Gedicht zum Gewitterabend.



Ma jeunesse ne fut qu'un ténébreux orage,
Traversé çà et là par de brillants soleils;
Le tonnerre et la pluie ont fait un tel ravage,
Qu'il reste en mon jardin bien peu de fruits vermeils.


Charles Baudelaire (1821-1867)

Erste Strophe des Gedichtes L'Ennemi, veröffentlicht in Les Fleurs du Mal (1857).

Dienstag, 12. Juni 2018

Lektüremonat Mai 2018.


 
Irmtraud Morgner: Hochzeit in Konstantinopel.

Ein Pärchen, Bele und Paul, unternimmt mit anderen Bürgern der DDR eine Fahrt nach Konstantinopel – gemeint ist nicht Istanbul, sondern ein Ort des damaligen Jugoslawien. Für sie ist es zugleich Hochzeits-, Urlaubs- und Forschungsreise, Bele unterhält dabei ihren zukünftigen Gatten, einen Physiker, mit kurzen Lügengeschichten. Dementsprechend wird die Handlung stets von Beles abgeschlossenen Einschüben unterbrochen. Morgners (1933-1990) ironischer Roman verhalf ihr zum Durchbruch in ihrer Heimat und zu Anerkennung auch im Westen. Heute erscheint ihre für das lavierende Gebaren von DDR-Schriftsteller*innen typische Leben in manchem interessanter. 

Staffan Seeberg: Stellas Freiheit.

Der Auftakt ist vielversprechend: kurz nach der Beerdigung seiner noch jungen Ehefrau erfährt der schwedische Major Larsson durch die zufällige Entdeckung von Briefen, dass seine Frau über Jahre, seit Beginn ihrer Ehe, parallel einen Liebhaber hatte. Das Versprechen kann der Roman des Schweden Seeberg (geboren 1938) allerdings nicht halten. Glaubt man anfangs noch, es liefe auf die etwas klischeehafte, aber womöglich interessante Konfrontation zwischen dem unbürgerlichen Liebhaber, einem Zauberkünstler, und dem biederen Offizier hinaus, entwickelt sich das Buch zunehmend zur reinen Männerphantasie, die Tiefgang vortäuscht und in einer abstrusen Handlung hölzerne Nebenfiguren und folgenlose Episoden literarisch hilflos aneinanderreiht. Zu allem Überfluss ist der Titel „Stellas Freiheit“ auf fast schon zynische Weise irreführend. Schwach, ganz schwach. 

Tom Stoppard: Arcadia.

Wie Peter Shaffer gehört Tom Stoppard (geboren 1937) zu den Vertretern der Glanzzeit des britischen Dramas im 20. Jahrhundert – und wie dieser war er auch als Drehbuchautor äußerst erfolgreich (u.a. mit „Shakespeare in Love“). „Arcadia“, 1993 erstaufgeführt, ist ein unterhaltsames Stück über Umbruchzeiten, das anfangs abwechselnd, später zunehmend ineinander überblendet von den Bewohnern eines Landgutes anno 1809 und in der Gegenwart berichtet. Dabei zeigen sich die Diskrepanzen der Vorstellungswelten, die zudem gerade 1809 ohnehin im Fluss sind zwischen Aufklärung und Gegenaufklärung in Form der Romantik, versinnbildlicht an der Gestaltung des Gartens und dem mysteriösen Auftritt Lord Byrons. Intelligentes Theaterstück mit viel Wortwitz in den Dialogen. 

Lord Dunsany: Die Königstochter aus Elfenland.

In Klett-Cottas verdienstvoller Reihe der Hobbit-Presse, in der zahlreiche Perlen der phantastischen Literatur und Gründungstexte der Fantasy in liebevollen Ausgabe erscheinen, darf Lord Dunsany (1878-1957) nicht fehlen, ist der irische Adlige doch sicher einer der weniger bekannten, aber doch eminent einflussreichen Autoren des Genres. Die Einwohner von Erl wünschen sich „mehr Zauber“ in ihrem Land und wissen nicht, was sie damit heraufbeschwören: der Sohn des Herrschers reist ins benachbarte Elfenland, wo die Zeit stillsteht, und bringt von dort die mit ihm geflohene Elfenprinzessin mit. Doch das Leben mit den normalen Menschen wird ihr bald langweilig, zudem lockt ihr unglücklicher Vater – und so kehrt sie ins Elfenland zurück. Der verzweifelte Gatte macht sich über Jahre vergeblich auf die Suche, wie dem Wahn verfallen, gelingt es ihm doch nicht mehr, ins elfische Königreich einzudringen. Derweil verwischen durch das Handeln des gemeinsamen Sohnes die Grenzen zwischen dem Land der Menschen und der Elfen, Einhörner und Trolle dringen ein. Und dann bekommt die Elfenprinzessin wieder Sehnsucht nach ihrer Zeit auf der anderen Seite. Mit sanfter Ironie und leichter Melancholie erzählter Roman nicht nur für Liebhaber*innen früher Fantasy.  

Hans Werner Richter: Du sollst nicht töten.

Hans Werner Richter (1908-1993) war – und ist – im Bild der Öffentlichkeit der Initiator und Kopf der legendären „Gruppe 47“, aber als eigenständiger Schriftsteller  wurde er neben all den berühmten Kolleginnen und Kollegen kaum wahrgenommen, obwohl er durchaus ein umfangreiches Werk hinterlassen hat, darunter auch sein Anti-Kriegsroman „Du sollst nicht töten“ von 1955. Dass Richter kein Walser, Grass oder Celan war, ist dem Buch sprachlich hin und wieder deutlich anzumerken, ein Freund experimenteller Schreibformen war er ebenfalls nicht. Gleichwohl unterscheidet sich der Roman in manchem von anderen Vertretern des schwierigen Genres, das sich stets auf dem schwierigen Grat zwischen Abscheu und Faszination befindet. Auch Richter verfällt einigen Problemen des Anti-Kriegsromanes, u.a. wird die Judenvernichtung nur sehr kurz in wenigen Zeilen thematisiert, Kampfschilderungen geraten in die Nähe des Splatters. Aber gerade in der ersten Hälfte ist der Text, der die Erlebnisse aus der Sicht der jüngeren Generation einer Familie an der Ostsee schildert, doch außergewöhnlich, zeigt er doch die verheerende Wirkung, die der Krieg auf alle Beteiligten hat, obwohl er noch gar nicht in seiner äußersten Form spürbar ist, ob Fanatiker, Gleichgültige oder Gegner, ob Frauen oder Männer, Lebemänner und Sensible, die Menschen werden längst deformiert, bevor sie in der zweiten Hälfte dann auch körperlich verstümmelt werden. Das Soldatenleben ist längst unmenschlich, bevor es überhaupt zu Kampfhandlungen kommt, aber auch die Zivilisten geraten früh in Verwirrung und verlieren den Halt. Hier ist Richters Roman stark und spricht Dinge an, die in ähnlichen Texten oft fehlen. Das ist mutig und war es umso mehr 1955, als kaum jemand hiervon hören und lesen wollte. 

Rainer Erler: Reise in eine strahlende Zukunft.

Fassbinder, Herzog, Schlöndorff, Wenders, Kluge sind die großen Namen der Hochzeit des Neuen Deutschen Films der 1960er und 1970er Jahre. Doch in jenen Tagen entstanden auch Experimente der Filmkunst, die andere, eigene Wege beschritten - einer dieser innovativen Regisseure war Rainer Erler (geboren 1933), der quasi im Alleingang ein neues Genre kreierte, das noch dazu wenig deutsche Vorbilder hatte: Erler schuf politische Science-Fiction, auch Science-Thriller genannt, da ihnen stets eine auf Wissenschaft basierende spannende Handlung zugrunde lag, die eher in der Gegenwart als der Zukunft lag, womit sie an die britische New Wave anknüpfte. Erler war jedoch aktueller, er griff, seiner Zeit weit voraus, damalige Nischenthemen wie Umwelt-, Organspende- und Lebensmittelskandale auf, so auch in NEWS-Reise in eine strahlende Zukunft, 1986 als Film, dann (ohne den Zusatz NEWS) als Roman herausgebracht. Es ist die Geschichte der Journalistin Susan, deren Mann inkognito als Decksmann auf einem Schiff recherchiert, das eine unbekannte gefährliche Fracht transportiert. Nach einem Telefongespräch, das mit einem Schusswechsel endet, verliert sich seine Spur – Susan reist auf der Suche nach ihm mit der gemeinsamen Tochter um die halbe Welt. Je größer die Ausmaße des Industrieverbrechens werden, die sich im Laufe der Nachforschungen auftun, desto gefährlicher wird die Suche – bis auch die Tochter verschwunden ist…   

Rider Haggard: König Salomons Schatzkammer.

Der klassische Abenteuerroman des Fin de Siècle, 1885 erschienen, war der Auftakt zum Ruhm von dessen Helden Allan Quatermain und seinem Autor Rider Haggard (1957-1925), der auf die Erfahrungen seiner Zeit in Afrika zurückgriff, wo er lange gelebt und im Gegensatz zu manch anderem Kolonialbeamten ein großes Interesse an der örtlichen Geschichte und Kultur entwickelt hatte. Dies lieferte ihm den Kolorit aber auch das Fachwissen zu seinen erfolgreichen Romanen, die nicht frei sind von den Ansichten der Zeit, aber durch Humor, Spannung und literarisches Geschick alles andere sind als ein angestaubtes Lesevergnügen. Quatermain kommt eher zufällig zu dem Vergnügen, zwei Landsleute auf der Suche nach einem Verwandten zu begleiten, wofür eine Wüste, ein Gebirge und das Land eines unbekannten Volkes durchquert, Schlachten geschlagen, eine Hexe und ein blutrünstiger Herrscher besiegt, eine Diamantenhöhle gefunden und nach deren Verschluss wieder verlassen werden müssen, was man halt so macht im Alltagsgeschäft des Abenteurers…     

Nikos Kazantzakis: Griechische Passion.

Ein griechisches Dorf in der Türkei Anfang des 20. Jhs.: Unter Vorsitz des Pfarrers versammeln sich die Gemeindeältesten, um die Darsteller für das im nächsten Jahr in der Osterwoche stattfindende religiöse Schauspiel zu bestimmen, die der Priester nach der Wahl noch einmal darauf hinweist, sich ihrer Rolle gemäß in der Vorbereitung würdig zu verhalten – eine Ermahnung, die die vorgesehenen Dorfbewohner wesentlich ernster nehmen als der Pfarrer. Als auch noch eine Gruppe aus ihrem zerstörten Dorf vertriebener griechischer Flüchtlinge auftaucht, kommt es zu Konflikten und letztlich zur Katastrophe. Meisterwerk des neugriechischen Nationalschriftstellers Nikos Kazantzakis (1883-1957), das zwischen Hoffnung und Verzweiflung über das menschliche Handeln zu schwanken scheint.