Ein
Pärchen, Bele und Paul, unternimmt mit anderen Bürgern der DDR eine Fahrt nach
Konstantinopel – gemeint ist nicht Istanbul, sondern ein Ort des damaligen
Jugoslawien. Für sie ist es zugleich Hochzeits-, Urlaubs- und Forschungsreise,
Bele unterhält dabei ihren zukünftigen Gatten, einen Physiker, mit kurzen
Lügengeschichten. Dementsprechend wird die Handlung stets von Beles
abgeschlossenen Einschüben unterbrochen. Morgners (1933-1990) ironischer Roman
verhalf ihr zum Durchbruch in ihrer Heimat und zu Anerkennung auch im Westen.
Heute erscheint ihre für das lavierende Gebaren von DDR-Schriftsteller*innen
typische Leben in manchem interessanter.
Staffan
Seeberg: Stellas Freiheit.
Der
Auftakt ist vielversprechend: kurz nach der Beerdigung seiner noch jungen
Ehefrau erfährt der schwedische Major Larsson durch die zufällige Entdeckung
von Briefen, dass seine Frau über Jahre, seit Beginn ihrer Ehe, parallel einen
Liebhaber hatte. Das Versprechen kann der Roman des Schweden Seeberg (geboren
1938) allerdings nicht halten. Glaubt man anfangs noch, es liefe auf die etwas
klischeehafte, aber womöglich interessante Konfrontation zwischen dem
unbürgerlichen Liebhaber, einem Zauberkünstler, und dem biederen Offizier
hinaus, entwickelt sich das Buch zunehmend zur reinen Männerphantasie, die
Tiefgang vortäuscht und in einer abstrusen Handlung hölzerne Nebenfiguren und
folgenlose Episoden literarisch hilflos aneinanderreiht. Zu allem Überfluss ist
der Titel „Stellas Freiheit“ auf fast schon zynische Weise irreführend.
Schwach, ganz schwach.
Wie
Peter Shaffer gehört Tom Stoppard (geboren 1937) zu den Vertretern der Glanzzeit
des britischen Dramas im 20. Jahrhundert – und wie dieser war er auch als
Drehbuchautor äußerst erfolgreich (u.a. mit „Shakespeare in Love“). „Arcadia“,
1993 erstaufgeführt, ist ein unterhaltsames Stück über Umbruchzeiten, das
anfangs abwechselnd, später zunehmend ineinander überblendet von den Bewohnern
eines Landgutes anno 1809 und in der Gegenwart berichtet. Dabei zeigen sich die
Diskrepanzen der Vorstellungswelten, die zudem gerade 1809 ohnehin im Fluss
sind zwischen Aufklärung und Gegenaufklärung in Form der Romantik,
versinnbildlicht an der Gestaltung des Gartens und dem mysteriösen Auftritt
Lord Byrons. Intelligentes Theaterstück mit viel Wortwitz in den Dialogen.
Lord
Dunsany: Die Königstochter aus Elfenland.

Hans
Werner Richter: Du sollst nicht töten.
Hans
Werner Richter (1908-1993) war – und ist – im Bild der Öffentlichkeit der
Initiator und Kopf der legendären „Gruppe 47“, aber als eigenständiger Schriftsteller wurde er neben all den berühmten Kolleginnen
und Kollegen kaum wahrgenommen, obwohl er durchaus ein umfangreiches Werk
hinterlassen hat, darunter auch sein Anti-Kriegsroman „Du sollst nicht töten“
von 1955. Dass Richter kein Walser, Grass oder Celan war, ist dem Buch
sprachlich hin und wieder deutlich anzumerken, ein Freund experimenteller
Schreibformen war er ebenfalls nicht. Gleichwohl unterscheidet sich der Roman
in manchem von anderen Vertretern des schwierigen Genres, das sich stets auf dem
schwierigen Grat zwischen Abscheu und Faszination befindet. Auch Richter
verfällt einigen Problemen des Anti-Kriegsromanes, u.a. wird die
Judenvernichtung nur sehr kurz in wenigen Zeilen thematisiert,
Kampfschilderungen geraten in die Nähe des Splatters. Aber gerade in der ersten
Hälfte ist der Text, der die Erlebnisse aus der Sicht der jüngeren Generation
einer Familie an der Ostsee schildert, doch außergewöhnlich, zeigt er doch die
verheerende Wirkung, die der Krieg auf alle Beteiligten hat, obwohl er noch gar
nicht in seiner äußersten Form spürbar ist, ob Fanatiker, Gleichgültige oder Gegner,
ob Frauen oder Männer, Lebemänner und Sensible, die Menschen werden längst
deformiert, bevor sie in der zweiten Hälfte dann auch körperlich verstümmelt
werden. Das Soldatenleben ist längst unmenschlich, bevor es überhaupt zu
Kampfhandlungen kommt, aber auch die Zivilisten geraten früh in Verwirrung und
verlieren den Halt. Hier ist Richters Roman stark und spricht Dinge an, die in
ähnlichen Texten oft fehlen. Das ist mutig und war es umso mehr 1955, als kaum
jemand hiervon hören und lesen wollte.
Rainer
Erler: Reise in eine strahlende Zukunft.

Rider
Haggard: König Salomons Schatzkammer.
Der
klassische Abenteuerroman des Fin de Siècle, 1885 erschienen, war der Auftakt
zum Ruhm von dessen Helden Allan Quatermain und seinem Autor Rider Haggard
(1957-1925), der auf die Erfahrungen seiner Zeit in Afrika zurückgriff, wo er lange gelebt und
im Gegensatz zu manch anderem Kolonialbeamten ein großes Interesse an der
örtlichen Geschichte und Kultur entwickelt hatte. Dies lieferte ihm den Kolorit aber
auch das Fachwissen zu seinen erfolgreichen Romanen, die nicht frei sind von
den Ansichten der Zeit, aber durch Humor, Spannung und literarisches Geschick
alles andere sind als ein angestaubtes Lesevergnügen. Quatermain kommt eher
zufällig zu dem Vergnügen, zwei Landsleute auf der Suche nach einem Verwandten
zu begleiten, wofür eine Wüste, ein Gebirge und das Land eines unbekannten
Volkes durchquert, Schlachten geschlagen, eine Hexe und ein blutrünstiger
Herrscher besiegt, eine Diamantenhöhle
gefunden und nach deren Verschluss wieder verlassen werden müssen, was man halt
so macht im Alltagsgeschäft des Abenteurers…
Nikos
Kazantzakis: Griechische Passion.
Ein
griechisches Dorf in der Türkei Anfang des 20. Jhs.: Unter Vorsitz des Pfarrers
versammeln sich die Gemeindeältesten, um die Darsteller für das im nächsten
Jahr in der Osterwoche stattfindende religiöse Schauspiel zu bestimmen, die der
Priester nach der Wahl noch einmal darauf hinweist, sich ihrer Rolle gemäß in
der Vorbereitung würdig zu verhalten – eine Ermahnung, die die vorgesehenen
Dorfbewohner wesentlich ernster nehmen als der Pfarrer. Als auch noch eine
Gruppe aus ihrem zerstörten Dorf vertriebener griechischer Flüchtlinge
auftaucht, kommt es zu Konflikten und letztlich zur Katastrophe. Meisterwerk
des neugriechischen Nationalschriftstellers Nikos Kazantzakis (1883-1957), das
zwischen Hoffnung und Verzweiflung über das menschliche Handeln zu schwanken
scheint.
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