Mit Fräulein
Annika unterwegs...in der agilis 84246 von Donauwörth nach Ulm.
Kennen Sie diese
Abteilungen in den größeren Bahnhofsbuchhandlungen, wo reihenweise Bildbände
lagern über Bahnstrecken, Bahngebäude und Lokomotiven? Die Aischtalbahn
1945-1975, Bahnhöfe des südlichen Hunsrück, Die Baureihe
XYZ-Lilalu der Deutschen Reichsbahn? Wer kauft diese Bücher? Offenkundig
sehr viele – und das können nicht nur pensionierte Bahnbeamte sein, die sich
allerdings hinter der Mehrzahl der Autoren verbergen dürften. Und es sei diesen
Kollegen und ihren Lesern – ob es auch Leserinnen gibt? – unbenommen, der
morbide Reiz untergegangener Bahnstrecken, von denen es schließlich nicht
allzuwenige gibt, ist durchaus nachvollziehbar, die Architektur mancher
Bahnbauten auch, die Technik irgendwelcher Dampfrösser, naja, Geschmackssache.
Dies Ganze nur als Vorwarnung, dass von alldem im folgenden rein gar nichts zu
lesen sein wird, obwohl wir uns gemeinsam auf eine kurze Bahnreise begeben
werden. Keine Ahnung, wie das Zugmodell heißt, es ist der typische hellgrüne
kleine Regionalzug der agilis, der in Donauwörth bereits auf uns wartet,
weshalb Fräulein Annika und ich uns wie gewohnt sputen müssen, um ihn zu
erwischen – und wie gewohnt gelingt dies auch. Die Fahrt geht in gut einer
Stunde – genau: 68 Minuten – vom genannten Donauwörth durch das nördliche
Bayerisch-Schwaben mit der sogenannten Donautalbahn ins baden-württembergische
Ulm. Die alte Reichsstadt an der Wörnitz mit ihrem Umsteigebahnhof, wo sich
diese Strecke mit der von Nürnberg über Augsburg nach München kreuzt, ist ein
Schmuckstück, von dem wir heute leider nichts mitbekommen als ein paar
Quadratmeter Bahnhofsunterführung, was bedauerlich ist, uns an einem anderen
Tage aber einen eigenen Bericht erlaubt. Denn der Zug rollt schon an, kaum dass
wir eingestiegen sind. Fräulein Annika macht es sich bequem, ich hole erst mal
Brotzeit – es ist mittags – und Notizbuch heraus.
Vor dem ersten
Halt nach nur wenigen Minuten sitzt gleich mal ein Reh im Gebüsch an der
Bahntrasse, wir bewegen uns durch eine sehr ländliche Gegend. Und das
unbeeindruckte Tier bleibt zu unser beidseitigem Glück auch friedlich sitzen.
Derweil fahren wir in
Tapfheim ein. Was gibt es über den Ort zu sagen?
Fräulein Annika findet den Namen irgendwie schön, ohne dies erklären zu können.
Ich gebe ihr recht. Ansonsten keinen Schimmer, wir waren noch nie dort, in
Tapfheim. Für uns Zugfahrer kann er aber als Beispiel dafür dienen, wie man zu
unverdienten Hass kommt. Denn als in umgekehrter Richtung letzter Ort vor dem
Knotenpunkt Donauwörth, wo man etwa auf den Zug nach Nürnberg stets nur fünf
Minuten zum Umsteigen hat, zieht es sich bei knapper werdender Zeit spätestens
ab Schwenningen den allgemeinen stillen Groll des in terminliche Bedrängnis
Geratenden zu, so dass die Ankündigung
Nächster Halt: Tapfheim ein
innerliches „Oaaaah nee, dieses Scheißtapfheim!“ und ein äußerliches Zucken und
Seufzen hervorruft. Allerdings nur bei Bahnlaien, Profis bleiben durch jahrelanges
Üben äußerst gelassen, außerdem fahren wir Richtung Ulm und drittens kann
Tapfheim hierfür nun mal rein gar nichts.
Wir sausen
folglich weiter nach Schwenningen und zwar mit zwischenzeitlich 132
km/h, wie die Anzeige verrät. Wieder ein Dorf, über das man nun eher wenig weiß
und nicht weiß, ob dies für oder gegen einen oder das Dorf spricht. Immerhin
sieht dieses Schwenningen äußerlich hübscher aus als sein größerer Namensvetter
im Schwarzwald. Weiter geht’s.
Der jeden vorpubertären Rotzlöffel sicher zu lustigem
Kichern und frühkindlichen Scherzen anregende Name Blindheim steht für
eine der interessanten Stationen unter den unbekannteren Orten an der Strecke.
Denn hier wurde einst Weltgeschichte geschrieben, was man Dorf und Landschaft erst
einmal eher nicht ansieht. Was man nämlich sieht vom Bahnfenster aus,
vorausgesetzt man sitzt auf der richtigen – nördlichen Seite – ist ein großes
Freiluftdepot zahlreicher ausrangierter Straßenbahnwagen, die der Farbe nach
aus der bayerischen Landeshauptstadt München stammen dürften. Wie sie hier
herkamen und warum sie nun ihren Lebensabend buchstäblich vor sich hingammelnd
in Blindheim verbringen dürfen? Eine bislang ungeklärte Frage. Langsam durch
Pflanzenbewuchs zuwuchernd hat die Nachbarschaft des Tramfriedhofes zum Bahnhof
etwas von einem idyllischen Schrottplatz.
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Man sitzt bequem in der agilis, egal wie groß man ist. |
Jetzt aber zur
Weltgeschichte. Auch da spielt die bayerische Landeshauptstadt eine – wie so
oft unrühmliche – Rolle. Der dort sitzende Kurfürst hatte sich nämlich mal
schnurstracks mit den Franzosen des Sonnenkönigs Louis XIV. verbündet, um auf
Kosten des Reiches seine eigenen Machtpläne voranzutreiben. International
bekannt wurde dieser schließlich gesamteuropäische Konflikt unter dem Namen
Spanischer Erbfolgekrieg. Und es schien so, als hätte der Münchner Kurfürst –
es war Maximilian II. Emanuel – aufs richtige Pferd gesetzt. Bis zu jenem 13.
August 1704, an dem die vereinten kaiserlichen und englischen Truppen unter
Prinz Eugen und John Churchill, dem Duke of Marlborough, dem Ganzen mit der
Schlacht bei Blindheim ein Ende setzten. Der Krieg ging zwar noch bis zum
Frieden von Utrecht 1713 weiter, aber die bayerischen Machtgelüste waren passé
– die Franken kämpften übrigens, wie eigentlich immer, auf der Seite des
Kaisers, woran unter anderem die nördlicher gelegene Weißenburger Schanzenlinie
erinnert. So weit die Geschichtsbücher – nur wer da hineinschaut, wird
überhaupt keine Schlacht von Blindheim finden. In Deutschland firmiert sie
unter dem Namen Zweite Schlacht von Höchstädt, die Nachbarn heimsen also den
Ruhm ein. Und wer ein englisches Werk aufschlägt, wundert sich völlig über eine
Battle of Blenheim. Zieht man den Atlas (oder google maps) zurate, wird es nur
noch kurioser. Blenheim liegt in Neuseeland, nicht Bayerisch-Schwaben. Erklärung,
rückwärts aufgedröselt: das neuseeländische Blenheim wurde zu Ehren der
Schlacht so benannt. Blenheim deshalb, weil die französischen Vortruppsoldaten,
die auf Seiten der Engländer dienten (um unsere Verwirrung nur noch größer zu
machen also Franzosen, die gegen Franzosen kämpften), den Namen Blindheim nicht
recht aussprechen konnten. So kam es zur immerhin hübschen Alliteration Battle
of Blenheim, die zugegeben auch mit Blindheim gut, aber mit dem benachbarten
Höchstädt, das die ordnungsliebenden Deutschen einfach zum Durchnummerieren der
Schlachten – insgesamt deren drei – nutzten und von dem man besser nicht wissen
möchte, wie die Franzosen es aussprachen, gar nicht funktioniert hätte.
Nachdem wir an
großflächigen Solaranlagen auf den Feldern, wo einst die Schlachten tobten,
vorbeigefahren sind, zwischen denen, um die heutige Friedfertigkeit zusätzlich
zu unterstreichen, auch noch Tradition mit Moderne verbindend Schafe grasen,
kommen wir in Höchstädt an. Dazu fällt uns ein weiterer ebenfalls friedlicher
Dreiklang ein oder auf: die drei folgenden Donaustädte besitzen – zumindest vom
Zug aus betrachtet – eine gewisse äußerliche architektonische Ähnlichkeit. Der
Bahnhof liegt eher am Stadtrand, das Häusermeer der Altstadt wird jeweils
dominiert von einem charakteristischen Münsterturm, meist noch ein paar anderen
Türmchen und einem vorbarocken Schlossbau. Man möchte gerne hier aussteigen,
wenn man nicht weiter müsste. Nun kommt aber der junge, überaus freundliche
Schaffner und kontrolliert unaufdringlich unsere Fahrkarte, fast so, als wäre
es ihm unangenehm, uns stören zu müssen. Wir rollen weiter und sehen vom
Fenster aus einen Sonderpostenmarkt – früher das, was man einen Ramschladen
nannte, nur eben im Hallenformat –, der sich TOBI nennt, was, wie der
Untertitel verkündet, nicht der Name des Besitzers ist, sondern eine Abkürzung
für Total billig. Es verwundert immer wieder – und in diesem Fall
besonders – wieso die Händler sich des doch sehr ambivalenten Wortes billig
bedienen und nicht des doch reichlich eindeutigeren preiswert. Vielleicht, weil
der Besitzer ein besonders ehrlicher Kerl ist. Fräulein Annika lacht. Zurecht.
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Dillingen - Blick vom Schloss zur Studienkirche. |
Am folgenden
Bahnhof findet meist der größte Personenaustausch statt, kein Wunder, handelt
es sich doch um eine Universitätsstadt: Dillingen an der Donau.
Zugegeben, eine ehemalige Universitätsstadt, die glor- und lehrreichen Zeiten
sind schon vorbei, auch wenn die Bauten der einstigen Jesuitenhochschule noch
immer die Stadt prägen und einst zahlreiche Absolventen mit klingenden Namen
hervorgebracht hatten. Dillingen, heute Kreisstadt, profitierte von der
Reformation in der Reichsstadt Augsburg, die den dortigen Fürstbischof dazu
veranlasste, einerseits seine Residenz hierher zu verlegen, weshalb die Stadt
auf engem Raum von Kirchen und Klöstern sowie einem Schloss nur so strotz und
er zweitens hier eine gegenreformatorische Universität gründen ließ, deren
Lehre ebenso ausstrahlte wie die Architektur ihrer Bauten – eine Mischung aus
Spätgotik und Renaissance, die noch immer sehr beeindruckend anzuschauen ist.
Leider erkennt man all dies vom Zug aus nur in den Zipfelchen der zahlreichen
Türme. Wenn nicht gerade der örtliche Landtagsabgeordnete in einen Skandal oder
ein früherer Fußballnationaltorwart in einen medienträchtigen Auftritt verwickelt
ist, ruht Dillingen etwas sanft im Gedächtnis der Menschheit – leider. Der
Besuch dieser Stadt ist ein äußerst lohnenswertes Erlebnis.
Gelehrt geht es
weiter in die nächste und letzte der drei ähnlichen Städte: Lauingen.
Aus ihr stammt Albertus Magnus, schon namentlich als ein großer erkennbar und
man darf davon ausgehen, dass seine Schriften im benachbarten Dillingen lange
zur Grundlektüre gehörten. Philosophische Lehrer-Schüler-Gespanne auf
Höchstniveau sind erstaunlicherweise gar nicht so selten. Der antike Klassiker
Platon und Aristoteles als ewiges Vorbild, Hegel schickte gleich mehrere
Schüler in die Welt, die mit und gegen ihn ihre Epoche und die Gegenwart
prägten, von Marx bis Kierkegaard. Im Mittelalter waren Albertus Magnus und
Thomas von Aquin solch ein Spitzenduo, heute in der Wahrnehmung, nicht
unbedingt in ihrer Wirkung wohl etwas vernachlässigt, Philosophieseminare über
Albertus dürften im Sommersemester 2017 vermutlich nicht allzu oft in den
Vorlesungsverzeichnissen auftauchen. An seiner Bedeutung ändert dies jedoch
nichts, die Lauinger dürften mit recht stolz auf den berühmten Sohn ihrer Stadt
sein, auch wenn hier im Zug niemand sitzt, der scholastische Werke liest. Noch
einmal blicken wir auf die nun geradezu vertraute Silhouette einer Stadt mit
Münster, Schloss und Türmchen, bevor es auch schon weitergeht.
Und zwar nach Gundelfingen.
Vielleicht liegt es daran, dass wir ab und zu in Bahnhofsbuchhandlungen eines
von Disneys Lustigen Taschenbüchern mitnehmen, aber jedes mal drängt
sich hier viel mehr als schlechte Scherze über Blindheim der Name Gundel
Gaukeley auf. Was schließlich auch nicht viel über Pennälerniveau liegt. Und
dem Ort nicht gerecht wird, denn Gundelfingen kann etwas sehr, sehr Seltenes
aufweisen. Einen renovierten Bahnhof in dem noch dazu eine Fahrdienstleiterin
sitzt – oder wie auch immer der offizielle Titel dieser Menschen in den
Stellwerken heute heißen mag. Ein nichtheruntergeramschtes Bahnhofsgebäude auf
dem Dorf in der Nachmehdornära! In der eine Bahnangestellte arbeitet! Ein Hauch
von Achtzigerjahren der Bundesrepublik weht uns an – wirklich nur ein Hauch,
denn unter dem ewigen Helmut Kohl säße dort im Kabuff höchstwahrscheinlich
keine Frau. Man merkt schon, so ein ungewohnter Anblick verwirrt einem gleich
die Sinne.
Zum Glück fahren
wir nun durch die großen Gleisanlagen eines wieder liebevoll heruntergekommenen
Bahnhofes namens Neuoffingen, der offenbar nur noch für den Güterverkehr
angesteuert wird, von diesem aber immerhin recht zahlreich. Wir aber rauschen
durch. Bald gesellt sich die träge – gegen unsere Fahrtrichtung –
dahinfließende Donau zu uns, von nun an Begleitung nördlich der Strecke,
manchmal näher, manchmal ferner. Dagewesen sein müsste sie schließlich schon
länger, gesehen haben wir sie aber nicht.
Wir rollen in
den bahntechnisch bedeutendsten Halt unserer Strecke ein, Günzburg. An
diesem Knotenpunkt haben wir einen so genannten „planmäßigen Aufenthalt“, weil
wir hier stets regulär von einem IC überholt werden. Dieser hält ebenfalls in
Günzburg und wir müssen ihm für gewöhnlich noch dazu einen Vorsprung gewähren –
obwohl wir früher hier waren, aber die Bahnhierarchie ist ungerecht. Doppelt
ungerecht, denn im Gegensatz zu unserer agilis nimmt es der feine IC mit
der Pünktlichkeit selten genau, weshalb wir von ihm unverschuldet ein paar
zusätzliche Minuten aufgebrummt bekommen. Normalerweise steigen hier um diese
Uhrzeit zahlreiche Schüler ein, aber dankenswerterweise – das werden beide
Seiten so sehen – sind derzeit Ferien. Günzburg ist also ein IC-Halt, folglich
überrascht der hier frisch renovierte Bahnhof nicht, auch dies ein Fall der
seltsam gearteten Bahnhierarchie, denn in Dillingen etwa steigen sicher mehr
Menschen täglich in die regional- und Bummelzüge als hier in Günzburg in den
IC. Sei’s drum, die verrinnenden Minuten im Bahnhof kann man, wenn man
ausnahmsweise kein Buch oder wie 85% der Mitfahrgäste ein Smartphone in der
Hand hat, zum Abschweifen der Gedanken beim Blick auf die Altstadt nutzen. Die
liegt südlich – links der Fahrtrichtung – auf einem Hügel, rechts die
kanalisierte Donau. Man kann sich leicht vorstellen, dass die praktisch
veranlagten Römer die Anhöhe für eines ihrer Grenzkastelle nutzten, um hier
zudem einen wichtigen Übergang über den damals sicher nicht so glatt
dahinfließenden Fluss zu errichten und zu überwachen. Der Überlieferung war
dieses einer der letzten Außenposten, denn sie in der Spätantike hier an der
Nordgrenze noch hielten. Eine Art Außenposten blieb Günzburg auch weiterhin,
spätestens nachdem die Österreicher den Ort im Mittelalter zu einer kleinen
Nebenresidenz ausbauten, die es gegen ständige bayerische Begehrlichkeiten zu
verteidigen galt – interessant hierbei, dass die umliegenden Reichsstädte
Günzburg stets gegen die Münchner Gelüste unterstützten. Noch beim Übergang
1806 soll der hiesige Stadtpfarrer die Übergabe an das neue Königreich als
offenkundige Strafe für die Sünden der Günzburger gebrandmarkt haben. Den
Österreichern verdanken die Günzburger in jedem Falle ihr schönes Stadtbild,
das nicht mehr an die drei mehrfach erwähnten Donaustädte, sondern eher schon
an Oberschwaben erinnert. Die Hauptkirche prangt hier in stattlichem Rokoko.
Noch eine
historische Überlegung kann man anhand Günzburgs anstellen. Lauingen tut sich
mit seinem Albertus Magnus leicht, aber was, wenn man die Geburtstadt eines
Josef Mengele ist, der international für einen der wahrscheinlich
widerwärtigsten Charaktere überhaupt steht? Für eine kleinere Gemeinde – die ja
noch dazu durchaus andere Personen von weitaus anderer Bedeutung, unter anderem
sei an Petra Kelly erinnert, hervorgebracht hat – ist dies stets eine Bürde.
Wieviele Arschlöcher beispielsweise schon aus Hamburg hervorgegangen sind,
interessiert keinen Menschen, aber der Name Mengele, dessen Vater, ein
Industrieller, noch dazu Ehrenbürger der Stadt ist, wird stets mit Günzburg
verbunden bleiben, so wenig diese für die Entwicklung ihrer Mitbürger kann. Das
Klügste ist wohl, dies als Verpflichtung anzusehen und Aufklärung zu betreiben.
Fräulein Annika und ich beschließen, dies bei einem Besuch einmal zu
überprüfen, obwohl und gerade weil wir uns sicher sind, dass die Günzburger
dies gut gelöst haben. Außerdem wirkt die Stadt einfach einladend.
Hier muss
irgendwo auch das deutsche Legoland sein, aber Fräulein Annika meint, es sei schon
recht so, dass man es nicht sehe, man könne es getrost ignorieren. Sie scheint
gewisse Vorbehalte zu haben. Unsere nächste Station, Leipheim, nennt
sich unglaublich aussagekräftig „Stadt an der Donau“, nun gut, beides dürfte
nicht verkehrt sein, aber doch auch auf circa 1500 weitere Städte in Europa
zutreffen. Doch geschenkt. Über Jahre haben wir sowieso immer Laup- und
Leipheim verwechselt, wie es einem aus unerfindlichen Gründen manchmal so geht,
noch dazu ist auch Laupheim eine Stadt ziemliche nahe an der Donau und gar
nicht so weit weg. Um noch ehrlicher zu sein, wissen wir über Leipheim
letztlich genauso wenig zu berichten (immerhin, ein Schloss lugt von einem Hügel über der Stadt hervor) wie über den Halt Nersingen, der
als nächstes ansteht. Selbst der Zug schwingt sich zu angezeigten
Höchstgeschwindigkeiten von 155 km/h auf, wahrscheinlich eher nicht, um schnell
hier wegzukommen, sondern dank der leichten Verspätung – danke noch mal an den
IC! – die er, dies sei vorweggenommen, bis Ulm fast wieder einholt: es wird
letztlich eine Minute länger als geplant.
Denn da ist ja
noch der allerletzte Halt auf bayerischem Boden: Neu-Ulm. Der Bahnhof
dieser Stadt ist wie die Stadt – übrigens eine der größten im Bundesland
Bayern, was einen doch jedes Mal überrascht, auch weil man Neu-Ulm für einen
Vorort Ulms gehalten hat, der es letztlich ja auch ist. Aber wir haben ihr
Harald Schmidt zu verdanken, weshalb wir einmal geflissentlich über all ihre
architektonischen Mängel hinwegsehen, obwohl das sehr, sehr schwerfällt gerade
in diesem Betonbahnhof, der ein bisschen nach S-Bahn in einem gelackten
Berliner Neubauviertel aussieht. Aber vielleicht hat Neu-Ulm eher unser Mitleid
statt Häme verdient und das der Vorort von seiner Metropole durch eine
Ländergrenze getrennt wird, trägt sicher auch nicht zur Besserung bei.
Somit willkommen
in Baden-Württemberg und dem Endbahnhof Ulm. Wie die Ausgangsstation
Donauwörth ebenfalls einstige Reichstadt, wie diese ihren eigenen Bericht wert.
Da wir mit dem Zug angekommen sind, soll ruhig noch erwähnt werden, dass Ulm
eine der beklopptesten Gleisnummerierungen der nördlichen Hemisphäre aufweisen
kann, die einerseits durch Auslassung eine enorme Anzahl vortäuscht – wir
kommen zum Beispiel auf 28 an – andererseits aber auf einem Bahnsteig dann auch
gleich mal völlig wirre mehrfache Gleisnummern verteilt und diese wiederum
gerne in Nord und Süd unterteilt. Was tut man nicht alles, um die Passagiere zu
verwirren – sie zum Beispiel durch eine unscheinbar kleine Tür zusätzlich durch
das Hauptgebäude jagen...aber auch darüber kann der langerprobte Bahnprofi nur
noch lässig die Schultern zucken. Und Fräulein Annika macht nicht mal das.