The Lost Legion
The Lost Legion CAN/CZ 2014 102 min.
Regie: David
Kocar/Petr Kubik
Buch:
Christopher Hyde/Lloyd Simandl
DarstellerInnen:
Tom McKay (Taranis Maldras), Michelle Lukes (Urbina Prima), Brian
Caspe (Maximus Antonius Albanis), Jim High (Argos Sertorius), Christian Dunkley Clark (Valemar),
Eirini Karamanoli (Gisa), John Hannah (Nestor), Oldrich Anton
Vojta (Cassius Ricimer), u.v.m.
Nimmt man die
(deutsche) Dvd-Ausgabe des Films The Lost Legion zur Hand, so dürften
sich die ohnehin nicht immer hochgesteckten Ansprüche an einen Sandalenfilm
nicht unbedingt erhöhen: groß prangt ein Soldat auf dem Titelbild, der rein gar
nichts mit einem römischen Legionär, auch nicht der Spätantike zu tun hat,
sondern deutlich dem Mittelalter oder einer Fantasyproduktion entstammt, wobei
auf ersteres der gut erkennbare Topfhelm eines weiteren Kriegers im Hintergrund
hindeutet. Die aufgedruckten Stars rekrutieren sich eher aus der Riege der
Nebendarsteller angelsächsischer Fernsehfilme und Serien, was man aber immerhin
ebenso wenig unterschätzen sollte, wie die vielleicht etwas seltsame Tatsache,
dass es sich bei The Lost Legion, dessen Titel wie von The Last Legion geklaut wirkt und nicht einmal mehr ins Deutsche übersetzt wurde, um
eine kanadisch-tschechische Koproduktion handelt, beides Länder, die einer
römischen Vergangenheit absolut unverdächtig sind. Was naturgemäß auch für die
USA gelten würde. Zeigt man sich – hoffentlich – noch immer aufgeschlossen,
könnte spätestens der Vorspann, der in graphischer Form römische Legionäre in
Rom neben dem Colosseum, aber auch tatsächlich vor dem Petersdom zeigt, die
letzten Illusionen an Wohlwollen rauben – und dabei weiß man noch nicht mal,
dass in dem Film eine Legion nicht einmal, außer in wenigen, nicht wirklich
relevanten Aussagen, vorkommt, geschweige denn irgendwo verlorengegangen ist.
Wer sich folglich im Recht glaubt, hier abzuschalten, begeht einen bösen
Fehler. Denn trotz all dieser scheinbar besten Voraussetzungen für
cineastischen Sondermurks überrascht The Lost Legion als clevere
Erweiterung des Genres, weniger optisch, aber inhaltlich.
Der Vorspann ist
wie gehabt. Ein gleichzeitig eingeblendeter und vorgelesener Text schildert die
Situation und Lage: wir befinden uns in Nordpannonien, einem bedrohten
Außenposten des zerfallenden Weströmischen Reiches im Jahr 475. Es folgt eine
römische Eskorte durch ein sumpfiges Waldgebiet, wobei die Soldaten erkennbar
eine Mischtruppe sind aus Legionären und verbündeten Germanen – die allerdings
recht zivilisiert wirken in Kleidung und Verhalten, anders als alle später auftretenden
Germanen. Die Legionäre tragen zwar historisch korrekte Ausrüstung – auch wenn
diese teils etwas schlampig wirkt – allerdings aus der Zeit um 100 n. Chr.,
somit völlig anachronistisch. Als der Gegner – offenbar Ostgoten – auftaucht,
muss man noch einmal befürchten, doch in ein Trash-Filmchen geraten zu sein,
zeichnen sie sich doch durch völlig der Phantasie beziehungsweise dem
Horrorgenre entsprungene Masken aus. Die sich durch den ganzen Film hinziehende
Art, Kampfszenen in Action-Manier mit viel Blut und vor allem in Zeitlupen zu
zeigen, dürfte – leider – eine unvermeidliche Folge der Ästhetik von 300
sein, zugute halten darf man, dass sie hier nicht ganz so übertrieben wirken,
was natürlich trotzdem nichts an ihrer Herkunft aus der Billig-Trickkiste
ändert, wobei dieselbe Technik vorher schon genutzt wurde, um kommende Gefahr
anzudeuten, was genaugenommen der noch billigere Trick ist. Vorgestellt werden
uns der Anführer der gemischten Truppe als Taranis Maldras, Chef der „Suavi“,
womit womöglich die Sueben gemeint sein sollen, und seine frische Braut Gisa in
der Sänfte, die nebenbei während des Überfalls innerhalb des Kampfgeschehens
kräftig mit zulangt. Sie sind auf dem Weg in die Provinzhauptstadt zum dortigen
römischen Dux Maximus’, um ein Bündnis abzuschließen, das sich gegen die
gemeinsame Bedrohung durch die Ostgoten richtet.
Taranis wird
hier mit allen Motiven des klassischen Helden im Sandalengenre etabliert, wie
sie auch in der Nach-Gladiator-Zeit keineswegs aufgehoben, sondern eher noch
verstärkt wurden. Schon äußerlich ein durchtrainierter, gutaussehender –
naturgemäß weißer – junger Mann, verheiratet mit einer sehr schönen, klugen und
noch dazu tapferen Frau. Sein Aussehen, aber auch die seiner Männer ist, wie
schon kurz angedeutet, eine Mischform: nicht römisch, aber einheitliche
Kettenhemden mit roten Unterkleidern tragend – Tanaris selbst trägt einen
ziemlich kuriosen Brustpanzer – sind sie zwar teils auch langhaarig, aber im
Gegensatz zu den anderen Germanen sauber und gepflegt. Sie unterscheiden sich
also von beiden anderen maßgeblichen Bevölkerungsgruppen – was nur gut sein
kann und den Zuschauer*innen so präsentiert wird: weder römisch, also
verweichlicht, intrigant, korrupt und dekadent, noch gotisch, also verdreckt,
grausam und unberechenbar. Dies gilt umso mehr für den – nicht langhaarigen –
Anführer Tanaris. Und trotz seiner relativen Jugend weist er bereits politische
Erfahrung und Weltklugheit auf, so sagt er, halb scherzhaft, aber prophetisch
zu seiner Frau: Heutzutage [...] will Dir einfach jeder einen Dolch ins Herz
stechen.
Im Hinblick auf
seinen baldigen Gesprächspartner, den Vertreter Roms in der Region, den Dux und
Provinzverwalter Maximus, ist solch eine Skepsis durchaus angebracht. Zwar
sieht dieser sich selbst als gewieften Taktiker – als Teil des Spiels, das
wir spielen – doch präsentiert sich seine Gattin, Urbina Prima, Witwe des
einst mächtigen Ricimer, einer historisch realen Figur, die als Quasi-Regent
für gut zwanzig Jahre das Weströmische Reich regieren ließ (405-472), und die
deshalb für ihren Sohn nach weit mehr strebt, als ihm im Spinnen von Intrigen
als weit überlegen. Urbinas Pläne stoßen bei Maximus jedoch auf grobe
Ablehnung, dem Anschein nach verhält er sich loyal gegenüber dem amtierenden
Kaiser Julius Nepos – auch er eine historische Figur (ca. 430-480) – und der römischen
Tradition, wobei seine Abneigung gegen Urbinas Pläne zudem durch die
lebensbedrohliche Gefahr, die er im Verrat sieht, vor allem aber auch seinen
Widerwillen gegen seinen jugendlichen Steifsohn Cassius Ricimer begründet ist,
den er verachtet. Das erste Auftreten Cassius' rechtfertigt Maximus’ zusätzlich:
dieser erweist sich als verzogener, arroganter Schnösel ohne Bildung mit
geradezu karikaturhaften Machtallüren. Gleichwohl genießt er die volle
Unterstützung seiner Mutter, die, sollte Cassius Imperator werden, wodurch er
als ihr und Ricimer Sohn durchaus legitimiert wäre, nicht ganz uneigennützig
bis zu dessen Volljährigkeit die Regentschaft übernehmen würde – was sie als
Lockmittel auch Maximus in Aussicht stellt. Dieser lehnt jedoch weiterhin
schroff ab, ein Imperium der Wahnsinnigen und Narren, wäre laut ihm die
Folge solch eines Verrats.
Nach dieser Abfuhr, der mit einem zwischenzeitlichen
Hinauswurf aus dem Palast endet, findet Urbina in dem reichen
Silberminenbesitzer und jungen römischen Offizier Argos – nomen est omen –
Sertorius einen neuen Verbündeten. Dieser wird durch explizite Sexszenen als
typischer Vertreter des dekadenten und korrupten Rom charakterisiert. Argos’ völlig
leidenschaftsloser Gebrauchsex mit einer gallischen Sklavin kontrastiert mit
der zärtlichen Eheerotik zwischen Taranis und Gisa und spielt zudem direkt auf
Maximus' Befehl an, ihm eine Sklavin zum Wärmen zu schicken, da seine Gattin
nachts sicher nicht zur Verfügung stehe – Gisa spricht, das gleiche Bild
verwendend, von der Sehnsucht nach der Wärme ihres Mannes. Einmal mehr ist
Taranis somit nicht nur Gegenstück zu den Römern, sondern der reine Held des
Genres: er ist vertragstreu, obwohl er alle Vorteile in der Hand hält – er hat
mehr Truppen zur Verfügung als die Römer – er besitzt einen Ehr- und
Loyalitätsbegriff und hofft auf Frieden im Reich. Konkret setzt er auf das
Versprechen der Römer, ihn und seinen Stamm innerhalb der Reichsgrenzen
anzusiedeln. All diese sicher sehr positiven Eigenschaften weisen ihn jedoch
andererseits als reichlich naiven Träumer aus, der an verlorengegangenen Werten
festhält, die ihn die wahren Verhältnisse nicht durchschauen lassen. Dies
ändert naturgemäß nichts an seinem Status als Identifikationsangebot an die
Zuschauer*innen. Seine Frau Gisa scheint einen etwas nüchternen Blick zu
besitzen, auch sie ist durchaus eine Frau, die nach Macht strebt – wenn sie
auch, vielleicht nur mangels Gelegenheit, nie die Methoden einer Urbina
anwendet.
In jedem Falle
dürfte ihr die wahre Basis von Taranis’ ironisch vorgebrachtem Satz Nun,
das Leben ist vieles, aber fair, fair gehört nicht dazu, wesentlich
bewusster sein als ihm, was allerdings beide nicht schützen wird. Der erwähnte
leidenschaftliche Sex mit ihrem Mann wird konterkariert durch die spätere
Vergewaltigung, auf die direkt mit der nächsten Szene angespielt wird, die
wiederum Argos beim Sex mit seiner Sklavin zeigt, den er auch nicht
unterbricht, als er ein „Arbeitsgespräch“ mit der dazukommenden Urbina führt,
in dem sie ihm ihre Pläne unterbreitet. Ebensowenig wie sie stößt sie sich
hieran, was durch den anschließenden gemeinsamen Geschlechtsverkehr noch
bekräftigt und besiegelt wird. Während Argos als Teil seines Auftrags – der
andere ist die Bestechung des byzantinischen Botschafters mithilfe seines Silbers zur Beseitigung des
Nepos – als verkleidete Goten Tanaris’ Dorf überfällt und seine Frau
gefangen nimmt, schließt eben jener ahnungslos feierlich das Bündnis mit dem
natürlich ebenfalls ahnungslosen Maximus. Die Partnerschaft scheint perfekt und
für beide profitabel. Selbst als der Bischof das Ganze noch aufs Spiel zu
setzen scheint, weil er plötzlich kurz vor Abschluss noch den Übertritt von
Taranis und seiner Untergebenen zum Christentum fordert, bügelt der sichtlich
genervte – ein erster Hinweis auf sein äußerst laxes Verhältnis zur etablierten
Staatsreligion – Maximus dies ab. Und dies, obwohl Taranis sich bereits vor dem
Bischof in deutlicher Unterwerfungsgeste hingekniet hatte, was das Vertrauensverhältnis
zu Maximus noch einmal unterstreicht. Das anschließende orgiastische Fest – man
sieht den Bischof sich abwenden – dient einmal mehr zur Kontrastierung des
Taranis, der sich einerseits selbst als kein Kriegsherr charakterisiert
und andererseits die verführerischen nackten Tänzerinnen aus Treue zu seiner
Ehefrau freundlich ablehnt – die im direkten Gegenschnitt gerade entführt wird.
Als die
Botschaft von dem Gemetzel im Dorf und der Entführung Gisas mitten in die Feier
hineinplatzt, ist es mit dieser, aber vor allem dem Bündnis schnell vorbei. Der
verständlicherweise erregte Taranis möchte sich mit einem kleinen Trupp sofort
auf die Suche begeben, Maximus, dem er soeben Treue und Gehorsam geschworen
hat, hält dies, nicht ohne gute Argumente, für eine emotional überstürzte
Reaktion und wegen der geringen Anzahl zur Verfügung stehender Soldaten für zu riskant
und verweigert dies. Da Taranis dies nicht einsieht, bezichtigt ihn Maximus der
Insubordination und lässt ihn, nach kurzem Schlachtgetümmel in der Residenz in
gewohnter Zeitlupenactionmanier wegen des Angriffs auf einen römischen Offizier
festnehmen. Bereits jetzt scheinen die Pläne Urbinas Früchte zu tragen und sich
vor allem Maximus’ Position zu verschlechtern – von Taranis ganz zu schwierigen,
der aber immerhin stets mit offenen Karten im Vertrauen auf die alten
Traditionen spielte. Weit gefehlt, Maximus selbst sorgt im Anschluss selbst
dafür, sich scheinbar endgültig in die Abhängigkeit von Urbina zu manövrieren.
Denn die
folgende Audienz des ostgotischen Botschafters beim Statthalter läuft nach den
anfänglichen diplomatischen Freundlichkeiten völlig aus dem Ruder. Der
Botschafter, im Bewusstsein der für die Römer äußerst prekären Situation,
kleidet eine ganze Anzahl recht unverhohlener und erpresserischer Drohungen nur
sehr oberflächlich in süße Worte, die jedoch von Maximus’ in einer äußerst
groben und eher unklassischen Sprache erwidert werden. Wenn nicht schon die
mehrfachen freizügigen Sex- und Orgienszenen und die überharte Gewalt in den Kämpfen
dies rechtfertigen würden, spätestens hier wird jedem die Klassifizierung als
FSK 16 nur zu klar. Selten dürfte man in einem Film des Genres – und nicht nur
hier – in so kurzer Zeit so viele Wiederholungen der Ausdrücke "Stück Scheiße"
und "Ficken" gehört haben, eingebunden in zahlreiche andere blumige Metaphern,
wie Captain Kirk das einst einmal genannt
hat. Der Gote zeigt sich dadurch aber weniger beeindruckt als manch
Zuschauer*in, hat er doch, wie er meint, diesen Beleidigungen noch einen
absoluten Trumpf entgegenzusetzen. Aus einer Kiste zieht er den halb verwesten
Kopf von Maximus' Vorgänger als Statthalter Quintus Aurelius. Nur für einen
kurzen Augenblick scheint diese warnende Provokation zu verfangen – doch der
Botschafter ist offenbar in Unkenntnis von Maximus' mehr als flexiblem Umgang
mit Tradition und Christentum. Statt die in Rom hochgehaltene Verletzung der
Totenehre als die gewollte niederschmetternde und persönliche Zukunftsdrohung
zu akzeptieren, setzt er noch einen drauf, in dem er – in einer äußerst derben
Szene – den Kopf ergreift und mit diesem den Botschafter totprügelt; auch dies
ein eminenter Verstoß gegen die antike Tradition des Botschafterschutzes. Nach
seinem Wutanfall – und es fällt schwer sich diesem Höhepunkt an schwarzen Humor
zu entziehen – sieht Maximus allerdings ein, dass er dank seines, so explizit, diplomatischen
Ansatzes, nun wohl oder übel auf die Hilfe seiner Frau angewiesen sein
wird. Damit erreicht er den Tiefpunkt seiner Handlungsfähigkeit, während Urbina
– ohne ihr Zutun – gleichzeitig alle Fäden in dem Machtspiel zugespielt sind.
Wie sie ihm im Folgenden auch deutlich zu verstehen gibt.
Dazwischengeschaltet
wird eine weitere Szenenfolge, die Urbinas Machtansprüche voranbringt: sie
liefert Argos Gisa aus, die er vor ihren Augen, als Zeichen seiner Potenz im
doppelten Sinn – seiner Stärke als Verbündeter und seiner Libido als Liebhaber
– vergewaltigen soll. Taranis Ehefrau wird hier mehrfach gedemütigt, indem sie,
wie es Urbina befiehlt, in der Art einer Hündin von hinten genommen wird, wobei
sich Argos, um die Erniedrigung zu erhöhen, nicht anders verhält wie noch vor
kurzem beim Sex mit der gallischen Sklavin. Weder zeigt er sich sonderlich
leidenschaftlich – es handelt sich schließlich hier um eine weitere „Auftragsarbeit“ –
noch widmet er sich seinem Opfer, sondern hält den Blick auf Urbina gerichtet.
Zudem wirkt der reale Missbrauch Gisas gleichzeitig wie eine symbolische
Vergewaltigung und Unterwerfung durch Rom. Urbina kann also den Stand der Dinge
aus ihrer Sicht äußerst positiv resümieren: Maximus ist durch ihre Intrigen,
aber insbesondere sein eigenes unbeherrschtes Verhalten völlig von ihr
abhängig. Argos durch die Vergewaltigung Gisas und durch zahlreiche Versprechen
– Posten in Rom, spätere Heirat – eng an sie gebunden. Der Gote Valemar, dem sie Gisa
ausgeliefert, wird Teil ihrer Strategie. Es fällt ihr folglich nicht schwer,
sich vordergründig mit Maximus zu versöhnen, der nun ihren Pläne zur Erhebung
Cassius’ zum Imperator zustimmen muss. Dieser wünscht sich, kaum zum Anwärter
auf die Macht ernannt, nicht mehr Grammatiker – also Bildung –, sondern
Gladiatorenkämpfe zu seinem persönlichen Amüsement, womit er den Sadismus
seines allerersten Auftritts bestätigt, den Filmemachern aber insbesondere
Gelegenheit gibt, eines der Merkmale des römischen Sandalenfilms schlechthin in
Szene zu setzen, obwohl die blutigen Spiele zu dieser Zeit in dem christlichen
Staat längst verboten sind. Maximus und Cassius ist dies allerdings bewusst –
später wird es nämlich explizit erwähnt.
Derweil trifft
Argos als Botschafter des neuen Imperators in einer von den Ostgoten eroberten
Stadt ein, die eher mittelalterlich wirkt, insbesondere die domartige Kirche –
in der Valemar sein Hauptquartier errichtet hat. Das Gotteshaus als
entsakralisierter Herrschaftssitz und Ort zahlreicher Gewalttaten ist nur eines
der zahlreichen Kennzeichen, das die Ostgoten als komplette Barbaren
stigmatisiert: sie essen mit den Fingern, sind verdreckt wie ihre gesamte
Umgebung und tragen ungewaschene Fellkleidung, sie üben Gewalt ungeniert vor
Kleinkindern aus, frönen der Vielehe – und natürlich darf der Tierschädel über
Valemars Thron nicht fehlen. Ein Kuriosum ist der links hinter Valemars Thron
sitzende Schwarzafrikaner, der funktions- und sprachlos als reines Dekor zu dienen
scheint, in jedem Fall ist sein Vorhandensein am Hof der Goten schwer
erklärbar, es sei denn, er solle eine Art Symbol sein für den Abfall der Völker
von Rom; gleichwohl ist ein Bündnis afrikanischer Rebellen mit Ostgoten an der
Donau eher unwahrscheinlich und historisch reichlich dünn belegt. Valemars Auftreten
ähnelt dem seines Botschafters, er kann sich selbstbewusste Arroganz leisten,
da er sich in einer hervorragenden Ausgangsposition befindet: dementsprechend
stellt er Argos auch die blasphemische Frage, ob sich der christliche Gott wohl
rächen werde, weil er – Valemar – ihm sein Haus weggenommen habe. Diese
Unverfrorenheit hätte im klassischen Sandalenfilm nicht konsequenzlos bleiben
können – zu späterem Zeitpunkt wäre solch eine Aussage entweder tatsächlich
gerächt worden oder hätte zu Reue und Bekehrung geführt. Beides wird ausbleiben
– und Argos ist ohnehin nicht der Mann, sich auf die hierzu notwendige
theologische Argumentation einzulassen. Er unterbreitet Valemar Urbinas Pläne –
die hier zusätzlich die explizit ausgesprochene Ermordung Maximus’ mit umfassen – und
überreicht zur Bekräftigung Gisa als Geisel, da er Taranis zum Mörder des
Botschafters erklärt hat. In einer netten historischen Anspielung reicht
Valemar sie an seinen Neffen Theoderich weiter; ansonsten bleibt er in Bezug
auf die Pläne skeptisch, zeigt sich aber willig, sollte binnen sechs Wochen
sichtbarer Erfolg auf Seiten der Römer eingetreten sein – in Form der Ermordung
des regierenden Kaisers Nepos.
Cassius beginnt
derweil mit der Vorbereitung seiner Regierungsarbeit. Im Gefängnis bietet er
Taranis an, als Gladiator um seine Freiheit zu kämpfen, um am Vorabend seiner
Inthronisation ein Spektakel bieten zu können. Einmal mehr tritt Taranis in die
Rolle des klassischen Helden, gehört doch der Einzelkampf um das eigene Leben
zu den Hauptmotiven des Sandalenfilms. Taranis unterstreicht diese Position
noch, indem er edelmütig fordert, als erster kämpfen zu dürfen, um dadurch für
alle seine Männer die Freiheit erlangen zu können. Da Cassius ohnehin nicht
davon ausgeht, dass Taranis – gegen zwei aus Ravenna herbeigeholte Profis –
überleben wird, gesteht er ihm dies zu, er erlaubt ihm sogar die Suche nach
seiner Frau Gisa mit römischer Unterstützung. Der Plan zur Einsetzung Cassius’
ist inzwischen angelaufen, Nepos’ wurde aus Ravenna verrtieben und versteckt
sich in Dalmatien – was wieder einmal historisch korrekt ist, aber auch das
erste kleinere Anzeichen, dass der Ablauf der Intrigen nicht gänzlich den
Vorstellungen entspricht. Nepos’ ist zwar vorerst ausgeschaltet, tot, wie
vorgesehen, ist er jedoch nicht. Zwar scheint dies nur ein nebensächlicher
Makel in Urbinas Masterplan, Maximus’ Zweifel an Aristes’, dem byzantinischen
Botschafter, deuten aber bereits in die Zukunft voraus: Gekaufte Verbündete
können auch bestochene Verbündete werden.
Vorerst jedoch
gestalten sich die Abläufe weiterhin perfekt in Urbinas Sinn: Maximus verkündet
vor dem versammelten Volk die Einsetzung Cassius' als neuer Imperator. Seine
Rede weist einige Seltsamkeiten auf: so spricht Maximus von eurem Herrn
Jesus Christus, als ob er nicht selbst dazugehöre, was durch die
Legitimierung Cassius' aufgrund der Stimme Ricimers, die aus dem Grabe zu ihnen
gesprochen habe, also einer eindeutig heidnischen Rechtfertigung, noch
untermauert wird. Es verwundert folglich ebenso wenig, dass Maximus – und
Cassius – wenig Skrupel haben, einen öffentlichen Gladiatorenkampf noch dazu
mit der Bemerkung zu präsentieren, dieses Vergnügen sei seit vielen Jahren
verboten, sondern dass von ihnen im Anschluss – nicht nur in dieser Szene – vom
Wohlwollen der Götter oder den Augen Jupiters die Rede ist. Dass
das Christentum besonders tief in den beiden verankert gewesen sei, konnte
ohnehin niemand vermuten. Der anschließende Kampf verläuft nach den üblichem
Muster und mit wenig überraschendem Ausgang: Taranis gewinnt und erhält die
versprochene Befreiung für sich und seine Männer. Einzig bemerkenswert ist eine
schöne Detailaufnahme während des Kampfes, die zwei im Sand steckende Schwerter
groß im Vordergrund zeigt, die beide deutliche Scharten und Gebrauchsspuren
aufweisen – ein Sonderlob an dieser Stelle für den Ausstatter!
Vorgänger in dieser Serie: Katharina von Alexandrien.
Nun kann endlich
die langerwartete Zeremonie zur Einsetzung Cassius’ als neuer Imperator des
Weströmischen Reiches stattfinden, durchgeführt von Maximus, der hier auch
bildlich bereits wieder die zentrale Position einnimmt, Urbina ist links hinter
ihm sitzend von dem hinter ihr stehenden Argos beschirmt, der Bischof dagegen
beispielsweise nur eine komplette Randfigur. Vor der Inthronisation hat Maximus
an seinen Stiefsohn Cassius, der bereits vor ihm kniet, noch eine letzte
ungewöhnliche Bitte: dieser möge ihn als Sohn annehmen. Naturgemäß zeichnet
sich hier für den halbwegs intelligenten Zuschauer eine ersichtliche Finte ab,
noch dazu, da Maximus’ Begründungen mehr als logisch holprig sind – Damit
ich euch besser dienen kann, eine Pflicht im Namen des Imperiums –
doch Cassius’ überraschter Argwohn bezieht sich vor allem auf Maximus’ Alter
und die sich daraus ergebende seltsame Konstellation, doch stimmt er, nicht
gerade ein Zeichen seines Scharfblicks, so kurz vor der Vollendung seines
Kaisertums vielleicht geblendet, schließlich zu. In einer eher unhistorischen
Schwertleite erklärt Maximus ihn zum neuen Imperator, nachdem er sich versichert
hat, dass die Adoption schriftlich protokolliert wurde – und eben diese formale
Tradition lässt ihn Cassius im folgenden Moment mit eben diesem Schwert vor
aller Augen ermorden. Als nunmehr Sohn des Imperators ist er der logische und
legitime Nachfolger. Das einzig wirklich Überraschende an dieser Aktion nach
dem seltsamen Begehren Maximus’ – es ist klar, dass an diesem Punkt Urbinas
sich scheinbar soeben vollendender Plan bereits durch einen neuen des Maximus
abgelöst wird – Sohn seines Stiefsohns zu werden, ist Argos’ lächelndes Gesicht
beim Tod des Jungen, das nicht nur die Zuschauer*innen, sondern vor allem auch
Urbina verwundern dürfte.
Doch die
Gesamtsituation klärt sich nun ohnehin auf: Argos ist längst zu Maximus
übergelaufen – man erinnere sich an dessen Diktum von den bestechlichen
Verbündeten –, der ihm Besseres zu bieten hatte – das Leben – er bekommt
zudem die von ihm langersehnte jungfräuliche Sklavin und als Dreingabe Urbina zum
Ficken, wobei er jedoch bevorzugt, letztere in die Silberminen zu schicken, um
ihre Schulden abzubauen. Taranis wird, wie versprochen, freigelassen, von
Maximus aber zudem als Botschafter bei Valemar bestimmt, was jedoch eine der
offenkundigen zynischen Bemerkungen Maximus’ ist, den Taranis erscheint kurz
darauf vor Valemar in Fesseln. In jedem Falle ist Maximus zu diesem Zeitpunkt,
obwohl er lange wie der sichere Verlierer aussah, der absolute Triumphator und
in einer wesentlich besseren Ausgangslage als noch zu Beginn des Films.
Die Logik des
Genres würde nun nach einem letzten klärenden Moment verlangen, in dem Taranis
im Mittelpunkt steht. Dem äußeren Anschein nach ist dies auch der Fall. Vor
Valemar kann er diesen über die Intrigen und Vorgänge am Hof aufklären – und
somit auch von seiner eigenen Unschuld überzeugen, stand er doch im Verdacht,
den gotischen Botschafter getötet zu haben –, die letztlich auch Valemars Pläne
scheitern lassen, zudem erfährt umgekehrt Taranis, dass nicht die Goten,
sondern Argos sein Dorf überfallen, seine Frau entführt und später an Valemar
übergeben haben. Hier ist somit der Punkt erreicht, an dem das Schema des
klassischen Sandalenfilmes die Wiederherstellung der Verhältnisse verlangen
würde: der unschuldige Taranis müsste seine Frau zurückerhalten. Tatsächlich
wird sie ihm vorgeführt – und als Frau des Theoderich vorgestellt – doch zu
einer Wiedervereinigung kommt es nicht. Sie lehnt sie ab. Ihr Argument der König
bot mir ein Leben an wird von Taranis mit der Replik und ich
gab Dir Liebe nur noch hilflos beantwortet, das frühere Leben ist vorbei
wie ihre Liebe, sie trägt bereits das Kind Theoderichs im Körper. Taranis
bleibt zwar der stets Integre – er beschwört sogar noch, Gisa auch weiterhin zu
lieben – aber auch der vollends Gescheiterte, ganz im Kontrast zu den
zweifelhafteren Charakteren Maximus und Argos. Valemar bleibt nur noch, sich
als besserer Römer zu erweisen und Taranis wie ein gerechter König aufgrund
seiner Unschuld freizulassen. Mit dem Bild des geschlagenen Helden endet der
Film.
Und dies macht
ihn so ungewöhnlich. Sicher, trotz ihrer oft sehr überraschenden Wendungen ist
die zugrundeliegende Geschichte kein Jahrhundertwurf, auch die
schauspielerischen Leistungen erreichen nicht gerade Burgtheaterniveau, doch
kann man dem Film vor allem nach der eingangs erwähnten und ziemlich gut
fundierten Skepsis einerseits das Gelingen einer sehenswerten Erzählung nicht
absprechen, auch nicht, dass er dem Genre, mag man dies begrüßen oder nicht,
gerade sprachlich einiges Neues hinzufügt, was die Derbheit weit jenseits des
Lateinunterrichts angeht, vor allem aber muss man andererseits anerkennen, dass
er die vom Sandalenfilm geprägten Sehgewohnheiten am Ende gerade durch sein
Spiel mit typischen Motiven klar und gekonnt unterläuft. Dass der mit allen
Merkmalen des Helden ausgestattete Taranis schlussendlich in allen Belangen
unterliegt und sogar von seiner Frau verstoßen wird, ohne jegliche eigene
Schuld zu tragen, ist mehr als überraschend, insbesondere wenn dazu noch die
„bösen“ Charaktere wie Maximus, Argos und – bedingt – auch Valemar als
kontrastierende Gewinner aus dem Geschehen entlassen werden. Weder den
Zuschauer*innen mit dem historischen Wissen, dass mit dem Folgejahr 476 das
gesamte Weströmische Reich ohnehin enden wird, noch Taranis kann dies ein Trost
sein, da auch dies seine Position ganz sicher nicht mehr verbessern wird.
Vorgänger in dieser Serie: Katharina von Alexandrien.
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