Olof Palme,
Bruno Kreisky, Willy Brandt, das war Anfang der Siebziger Jahre das Dreigestirn
der europäischen Sozialdemokratie und ein ersehnter Lichtblick für alle, die
mit dieser sympathisierten. Der eine, Willy Brandt, seit 1969 Bundeskanzler
Westdeutschlands, dass er aus dem Muff der klerikal-konservativen Adenauerjahre
und zur Aussöhnung mit dem Ostblock führte. Der andere, Bruno Kreisky, machte
sein kleines, fast vergessenes Land Österreich aufgrund von dessen
geographischer Lage und Neutralität seit seinem Amtsantritt 1970 zu einem
wichtigen Vermittler der Blöcke. Und der dritte im Bunde, Olof Palme, hatte
seit 1969 das Glück, Schweden regieren zu dürfen, ein Land, das, wie schon
erwähnt, ohnehin jeder in Europa zu beneiden schien um seine wirtschaftliche
Stabilität, seine Neutralität und vor allem seinen fürsorglichen Sozialstaat
plus hervorragender Bildung für den Nachwuchs. Ganz zu schweigen davon, dass
alle drei die jeweilige Gesellschaft ihres Landes um einiges voranbrachten,
indem sie demokratische und soziale Reformen anstrebten und durchsetzten.
Mitte der
Achtziger Jahre war von dieser Aufbruchstimmung nur wenig geblieben. Willy
Brandt war schon 1974 als Bundeskanzler mehr oder weniger freiwillig
abgetreten, Bruno Kreisky legte sein Amt nach Verlust der absoluten Mehrheit
1983 nieder, fädelte als eine Art Danaergeschenk für die österreichische
Politik jedoch vorher noch eine Koalition mit der rechtslastigen FPÖ für seinen
Nachfolger – Fred Sinowatz – ein.
Allein Olof
Palme regierte noch immer – oder besser wieder: 1982 kam er nach einer
mehrjährigen Unterbrechung noch einmal ins Amt des schwedischen Regierungschef
zurück. 1969 hatte er dieses vom langjährigen und sehr populären
Ministerpräsidenten Tage Erlander (1945-1969) übernommen, dem der am 30.Januar
1927 in Stockholm geborene Palme bereits als Verkehrs- und Bildungsminister
gedient hatte. Die Sozialdemokraten standen in Schweden auf dem Höhepunkt ihrer
Macht, die Wirtschaft brummte, mit den hohen Steuereinnahmen finanzierte man das
berühmte aus der Vorkriegszeit übernommene und den modernen Verhältnissen
angepasste Volksheim-Modell umfassender Fürsorge und Bildung. Man war Mitglied
der UNO, trotzdem neutral mit einer gewissen Anbindung an den Westen, das
Verhältnis zur nahen Sowjetunion war jedoch ebenfalls überwiegend freundlich.
Palme war, wie
seine Zusammenarbeit mit Kreisky und Brandt und viele weitere von ihm
ausgehende oder mitgetragene internationale Initiativen zeigten, auch ein
versierter Außenpolitiker, innenpolitisch war seine Amtszeit besonders am
Beginn geprägt von allgemeinem Wohlstand und ruhigen Verhältnissen, der
Verwirklichung des Ideals der „starken“, aber vor allem „freien Gesellschaft“.
Mit der Ölkrise und dem damit einerseits einhergehenden wirtschaftlichen Abschwung
und andererseits einer stark polarisierenden Debatte über Atomkraft zeigten
sich erstmals ernste Krisensymptome. Ersterem war nur mit immer weiteren
Steuererhöhungen beizukommen, letzteres spaltete die schwedische Wählerschaft.
Offiziell unterstützte die sozialdemokratische Partei den Ausbau der als
umweltfreundlich und ölsparend erachteten AKWs, doch in der Bevölkerung stieß
diese Sicht der Dinge bei weiten Teilen auf wenig Gegenliebe. Einen Kompromiss
(Förderung des gegenwärtigen Ausbaues, aber langfristig Ausstieg) gab es erst
1979 – da war Olof Palme schon nicht mehr an der Regierung.
1976 war er
abgewählt worden, es folgte eine Zeit bürgerlich-konservativer Regierungen, die
erst 1982 nach einer weiteren verlorenen Wahl 1979 wieder besiegt werden konnten.
Und zwar von Olof Palme, der somit seine zweite Amtszeit als Ministerpräsident
antrat. Das maßgebliche Ziel, den Sozialstaat ohne Abstriche zu erhalten, war
ohne drastische Belastungen durch Steuern nicht durchführbar, dazu kam eine
unerwartete Krise mit der Sowjetunion, denn ein 1981 in schwedischen Gewässern
aufgetauchtes U-Boot hatte für Befürchtungen unter den Schweden gesorgt, die
eine erhebliche Aufrüstung zur Folge hatten.
1986, am
28.Februar, wurde Olof Palme nach einem Kinobesuch in Stockholm Opfer eines
Attentats, bei dem auch seine Frau verletzt wurde. Die Hintergründe wie auch
die Suche nach den Tätern wurden bald zum Anlass zahlreicher Spekulationen –
aufgeklärt wurde der Anschlag jedoch bis zum heutigen Tage nicht. Die
prominenteste Theorie geht von einer Verwicklung rechtsradikaler Kreise und von
Beteiligten auch innerhalb der schwedischen Polizei aus, doch bewiesen wurde
all dies nie. Obwohl Land und Partei ohnehin längst in der Krise steckten,
wirkte der Mord an Olof Palme wie ein Fanal, dass die Hoffnungen des
gesellschaftlichen Aufbruchs der 70er Jahre mit einem ihrer berühmtesten
Vertreter nun endgültig ihr Ende gefunden hatten.
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