Montag, 3. Februar 2014

Schwedische Woche bei "À rebours".



Schweden. Genau genommen ein nicht ganz korrekt übertragener Name, denn Sverige, das schwedische Original, bedeutet „Schwedisches Reich“. Auch das Parlament nennt sich ja noch immer Reichstag – und meint damit nicht wie in der Bundesrepublik lediglich das Gebäude. Beides verweist darauf, dass das stets als nach außen friedliebend-neutral und innen behutsam-sozial wahrgenommene Land ganz andere Zeiten hinter sich hat. Es war jedenfalls nicht immer nur angenehm, mit dem nordischen Volk benachbart zu sein.
 

Dabei ist das, was hier heute als Schweden kennen, gewissermaßen ein Spätentwickler. Zwar berichten bereits römische Autoren von Völkern, die auf dem Boden des jetzigen Landes beheimatet waren und mit denen man in engem Kontakt stand, aber eine Art Staatsgebilde formten die Svear, eines dieser erwähnten Völker, erst hunderte von Jahren später, und auch dies nur als losen Bund (ab Mitte des 1.Jahrtausends). Klischeehaft verbinden sich bis auf unsere Tage die Wikinger mit der schwedischen Geschichte, die ab ungefähr 800 auftraten, allerdings zogen diese so genannten „Waräger“ zumeist – anders als ihre noch nördlicheren Kollegen – Richtung Osten, waren also nicht die Hornträger in Drachenschiffen, die im Westen Europa lange für Angst und Schrecken sorgten. Bei den Warägern handelte es sich auch nicht um eine Kriegerkaste, sondern um Landleute, gewissermaßen nicht Raubritter, sondern Raubbauern.

Ein Königreich Schweden existiert erst seit 1008 – dafür allerdings durchgehend bis heute. Anfangs taten sich die Könige ziemlich schwer, doch unter Magnus II. Eriksson (1319-1363) war das Land plötzlich zum (gebietsmäßig) größten in ganz Europa zusammengewachsen, der Monarch unangefochtener Herrscher. Nicht für lange, schon unter seinen streitlustigen Söhnen brach das Gefüge auseinander – und noch schlimmer, am Ende des Jahrhunderts befand man sich gar unter dänischer Oberherrschaft.

Diese dauerte bis 1523 an, als Gustav Vasa den Thron betrat und Schweden in die Unabhängigkeit und gegen große Widerstände in die Reformation führte (Gustav hatte weniger Interesse an der Religion, sondern vielmehr an den lukrativen Kirchengütern). Nach einigen Wirren etablierte sich Schweden als das Gegenteil dessen, was es im 20.Jahrhundert wurde: eine europäische Großmacht mit Expansionsdrang. Unter Gustav Adolf griff man bekanntlich in den Dreißigjährigen Krieg ein und damit erstmals Richtung Westen – recht erfolgreich, wenn man bedenkt, dass Schweden sich u.a. Teile der deutschen Küste sichern konnte; in Mecklenburg-Vorpommern sogar bis Anfang des 19.Jahrhunderts. Neben Finnland gehörten Mitte des 17.Jahrhunderts schließlich auch noch zahlreiche Gebiete Dänemarks und einige norwegische Provinzen zum Schwedischen Reich, es war auf seinem Zenit. Möglich war dies aufgrund seiner überlegenen Armee, insbesondere der Ostseeflotte, und auch im Innern war das Land ein straff organisierter Militärstaat.

Der Abstieg begann mit sich ausbreitendem aufklärerischen Gedankengut und der Rückkehr der politischen Wirren, die einen Verfall der Königsmacht bewirkten. Aus den Napoleonischen Kriegen ging man, obwohl nur peripher beteiligt, geschrumpft hervor, die deutschen und vor allem finnischen Gebiete waren verloren, dafür gab es fortan eine Personalunion mit Norwegen, die gut 100 Jahre anhielt (von 1814 bis 1905). Nach der endgültigen Trennung der beiden Staaten wurde Schweden zu einer demokratischen konstitutionellen Monarchie, die den Ersten Weltkrieg unbeschadet überstand, da sie sich neutral erklärte.

Mit den 20er und dreißiger Jahren, geprägt von Wirtschaftskrisen, entstand das moderne Schweden, wie wir es kennen: unter sozialdemokratischer Prägung sorgte die so genannte Volksheim-Idee für einen seine Bürger paternalistisch umsorgenden Staat, wobei dieser in den Anfangsjahren auch Züge hatte, die für uns eher nicht mit Sozialdemokratie in Verbindung gebracht werden, etwa strenge Euthanasiegesetze. In jedem Fall blieb man den nahen Gefahren des Kommunismus und des Faschismus abhold; das war nicht immer leicht, insbesondere im Zweiten Weltkrieg lavierte man sich hart an der Grenze der Neutralität nur mühsam durch – in beide Richtungen, durch (wirtschaftliche) Verbindungen mit Hitler-Deutschland, aber auch durch humanitäre Hilfe für etwa die dänischen Juden und andere Emigranten, sowie der Ausbildung von norwegischen Truppen.

In der Nachkriegszeit wurde der Wohlfahrtsstaat weiter ausgebaut, man trat der UNO bei (1946), wahrte aber insgesamt im Kalten Krieg die Blockfreiheit. Für viele wurde Schweden spätestens in den 1960er und 70er Jahren ein Vorbild an glücklichem Staatswesen, die direkten skandinavischen Nachbarn setzen viele Züge dieses Modells als Folge in ihren Ländern um. Noch immer unterscheidet sich die Fürsorge in den skandinavischen Ländern deutlich von denen Resteuropas und hat wenig von ihrem Vorbildcharakter eingebüßt. Daran änderten auch der wirtschaftliche Niedergang und zunehmende politische Probleme innerhalb Schwedens wenig – ob der Sozialstaat allerdings zu erhalten ist und ob dies überhaupt gewünscht wird, wird die Zukunft zeigen, nachdem die schwedische Regierung seit einigen Jahren weit nach rechts geschwenkt ist.  

Nach diesem Schnelldurchlauf durch die schwedische Geschichte, in dem Königin Silvia gar nicht erwähnt wurde, widmen sich die folgenden Beiträge Personen aus Kunst, Sport und Kultur (und ein einziges Mal auch der Geschichte) des 20. Jahrhunderts und der aktuellen Gegenwart.

Ein kurioser und etwas anrüchiger Überrest des schwedischen Militärstaates ist die Tatsache, dass Schweden einer der größten Rüstungsverkäufer der Welt ist, was nicht gerade zum gut gepflegten Image der Neutralität passt. Ein dagegen wesentlich friedliebenderer, aber nicht minder erfolgreicher Exportartikel ist die Musik (weit vor Deutschland), und bekanntlich steht in fast jedem deutschen Eigenheim irgendein zusammengedübeltes Möbel eines großen Konzerns aus dem Norden. Neben wie auch immer zu bewertender Wohnkultur versorgt Schweden Europa und die Welt seit Jahrhunderten verlässlich mit Ausnahmetalenten auf zahlreichen Gebieten, es wird somit Zeit, den ein oder die andere näher unter die Lupe zu nehmen. Und den Anfang macht...                               

 


 
 

 

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