Schweden. Genau
genommen ein nicht ganz korrekt übertragener Name, denn Sverige, das schwedische Original, bedeutet „Schwedisches Reich“.
Auch das Parlament nennt sich ja noch immer Reichstag – und meint damit nicht
wie in der Bundesrepublik lediglich das Gebäude. Beides verweist darauf, dass
das stets als nach außen friedliebend-neutral und innen behutsam-sozial
wahrgenommene Land ganz andere Zeiten hinter sich hat. Es war jedenfalls nicht
immer nur angenehm, mit dem nordischen Volk benachbart zu sein.
Dabei ist das,
was hier heute als Schweden kennen, gewissermaßen ein Spätentwickler. Zwar
berichten bereits römische Autoren von Völkern, die auf dem Boden des jetzigen
Landes beheimatet waren und mit denen man in engem Kontakt stand, aber eine Art
Staatsgebilde formten die Svear, eines dieser erwähnten Völker, erst hunderte
von Jahren später, und auch dies nur als losen Bund (ab Mitte des
1.Jahrtausends). Klischeehaft verbinden sich bis auf unsere Tage die Wikinger
mit der schwedischen Geschichte, die ab ungefähr 800 auftraten, allerdings
zogen diese so genannten „Waräger“ zumeist – anders als ihre noch nördlicheren
Kollegen – Richtung Osten, waren also nicht die Hornträger in Drachenschiffen,
die im Westen Europa lange für Angst und Schrecken sorgten. Bei den Warägern
handelte es sich auch nicht um eine Kriegerkaste, sondern um Landleute,
gewissermaßen nicht Raubritter, sondern Raubbauern.
Ein Königreich
Schweden existiert erst seit 1008 – dafür allerdings durchgehend bis heute.
Anfangs taten sich die Könige ziemlich schwer, doch unter Magnus II. Eriksson
(1319-1363) war das Land plötzlich zum (gebietsmäßig) größten in ganz Europa
zusammengewachsen, der Monarch unangefochtener Herrscher. Nicht für lange,
schon unter seinen streitlustigen Söhnen brach das Gefüge auseinander – und
noch schlimmer, am Ende des Jahrhunderts befand man sich gar unter dänischer
Oberherrschaft.
Diese dauerte
bis 1523 an, als Gustav Vasa den Thron betrat und Schweden in die
Unabhängigkeit und gegen große Widerstände in die Reformation führte (Gustav
hatte weniger Interesse an der Religion, sondern vielmehr an den lukrativen
Kirchengütern). Nach einigen Wirren etablierte sich Schweden als das Gegenteil
dessen, was es im 20.Jahrhundert wurde: eine europäische Großmacht mit Expansionsdrang.
Unter Gustav Adolf griff man bekanntlich in den Dreißigjährigen Krieg ein und
damit erstmals Richtung Westen – recht erfolgreich, wenn man bedenkt, dass
Schweden sich u.a. Teile der deutschen Küste sichern konnte; in
Mecklenburg-Vorpommern sogar bis Anfang des 19.Jahrhunderts. Neben Finnland
gehörten Mitte des 17.Jahrhunderts schließlich auch noch zahlreiche Gebiete
Dänemarks und einige norwegische Provinzen zum Schwedischen Reich, es war auf
seinem Zenit. Möglich war dies aufgrund seiner überlegenen Armee, insbesondere
der Ostseeflotte, und auch im Innern war das Land ein straff organisierter
Militärstaat.
Der Abstieg
begann mit sich ausbreitendem aufklärerischen Gedankengut und der Rückkehr der
politischen Wirren, die einen Verfall der Königsmacht bewirkten. Aus den
Napoleonischen Kriegen ging man, obwohl nur peripher beteiligt, geschrumpft
hervor, die deutschen und vor allem finnischen Gebiete waren verloren, dafür
gab es fortan eine Personalunion mit Norwegen, die gut 100 Jahre anhielt (von
1814 bis 1905). Nach der endgültigen Trennung der beiden Staaten wurde Schweden
zu einer demokratischen konstitutionellen Monarchie, die den Ersten Weltkrieg
unbeschadet überstand, da sie sich neutral erklärte.
Mit den 20er und
dreißiger Jahren, geprägt von Wirtschaftskrisen, entstand das moderne Schweden,
wie wir es kennen: unter sozialdemokratischer Prägung sorgte die so genannte
Volksheim-Idee für einen seine Bürger paternalistisch umsorgenden Staat, wobei
dieser in den Anfangsjahren auch Züge hatte, die für uns eher nicht mit
Sozialdemokratie in Verbindung gebracht werden, etwa strenge Euthanasiegesetze.
In jedem Fall blieb man den nahen Gefahren des Kommunismus und des Faschismus
abhold; das war nicht immer leicht, insbesondere im Zweiten Weltkrieg lavierte
man sich hart an der Grenze der Neutralität nur mühsam durch – in beide
Richtungen, durch (wirtschaftliche) Verbindungen mit Hitler-Deutschland, aber
auch durch humanitäre Hilfe für etwa die dänischen Juden und andere Emigranten,
sowie der Ausbildung von norwegischen Truppen.
In der
Nachkriegszeit wurde der Wohlfahrtsstaat weiter ausgebaut, man trat der UNO bei
(1946), wahrte aber insgesamt im Kalten Krieg die Blockfreiheit. Für viele
wurde Schweden spätestens in den 1960er und 70er Jahren ein Vorbild an
glücklichem Staatswesen, die direkten skandinavischen Nachbarn setzen viele
Züge dieses Modells als Folge in ihren Ländern um. Noch immer unterscheidet
sich die Fürsorge in den skandinavischen Ländern deutlich von denen Resteuropas
und hat wenig von ihrem Vorbildcharakter eingebüßt. Daran änderten auch der
wirtschaftliche Niedergang und zunehmende politische Probleme innerhalb
Schwedens wenig – ob der Sozialstaat allerdings zu erhalten ist und ob dies
überhaupt gewünscht wird, wird die Zukunft zeigen, nachdem die schwedische
Regierung seit einigen Jahren weit nach rechts geschwenkt ist.
Nach diesem
Schnelldurchlauf durch die schwedische Geschichte, in dem Königin Silvia gar
nicht erwähnt wurde, widmen sich die folgenden Beiträge Personen aus Kunst, Sport
und Kultur (und ein einziges Mal auch der Geschichte) des 20. Jahrhunderts und
der aktuellen Gegenwart.
Ein kurioser und
etwas anrüchiger Überrest des schwedischen Militärstaates ist die Tatsache,
dass Schweden einer der größten Rüstungsverkäufer der Welt ist, was nicht
gerade zum gut gepflegten Image der Neutralität passt. Ein dagegen wesentlich
friedliebenderer, aber nicht minder erfolgreicher Exportartikel ist die Musik
(weit vor Deutschland), und bekanntlich steht in fast jedem deutschen Eigenheim
irgendein zusammengedübeltes Möbel eines großen Konzerns aus dem Norden. Neben
wie auch immer zu bewertender Wohnkultur versorgt Schweden Europa und die Welt
seit Jahrhunderten verlässlich mit Ausnahmetalenten auf zahlreichen Gebieten,
es wird somit Zeit, den ein oder die andere näher unter die Lupe zu nehmen. Und
den Anfang macht...
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