The Cardigans
Dass Schweden zu
den führenden Nationen gehört, was den Export von Musik angeht (nach den USA
und Großbritannien), wurde bereits erwähnt. Vermutlich ist es sogar führend in
dieser Hinsicht unter den nicht-englischsprachigen Nationen. Fast jedes
Jahrzehnt wurde auch von einer schwedischen Gruppe geprägt, die Siebziger
natürlich von ABBA, die Achtziger von
Roxette, die Neunziger von Ace of Base, die 2000er Jahre von Mando Diao oder The Hives – und da sind viele mehr, die zeitgleich erfolgreich waren
und sind und manche, von denen kaum jemand ahnt, dass es sich um Schweden
handelt.
ABBA, an Bekanntheitsgrad und noch immer
andauernder Popularität nur von wenigen übertroffen, zählen ganz sicher nicht
zu den Vorbildern der Cardigans, im
Gegenteil, deren Frontfrau Nina Persson äußerte sich gelegentlich vorsichtig
formuliert eher wenig ehrerbietig gegenüber ihren Landsleuten. Kein Wunder,
musikalisch ist man dann doch etwas weit auseinander, noch mehr aber, was die
Texte angeht.
The Cardigans wurden einst recht berühmt
durch einen Soundtrack zu einer Neuverfilmung von Romeo und Julia, ihr bereits vorher herausgebrachtes Lied
„Lovefool“ ging – mit neuem Video – hinauf in Charthöhen, die für diese Band
eher untypisch waren. Für ein für diese Band, wie das eben so oft ist, auch
eher untypisches Lied. Recht brav und radiotauglich kam es daher, Nina Persson
als personifiziertes blondes Schwedenmädchen kullerte schön die Augen auf den
Bildschirmen von MTV und Co. Nur wer genau hinhörte, konnte das dann doch wieder
sehr charakteristische an ironischen Brechungen im Text heraushören – und wer
andere Videos und Auftritte von Nina Persson kennt, wird sie kaum für ein süßes
Mädel aus dem Norden halten.
Ein schönes
Beispiel für die Selbstironie, welche die Band gerne zelebriert, sind die
Videos zu Erase/Rewind und
insbesondere My Favourite Game, beide
gehören noch zu den bekannteren. Das eigentlich bewundernswerte der musikalisch
schwer einzuordnenden Gruppe sind die teils sehr komplexen, sehr zeitgenössisch
desillusionierten Texte, die trotzdem einen Verfall in die Verzweiflung
ablehnen. Am besten ausgedrückt wird dies durch ein sehr kurzes Stück – quasi
ein gesungener Aphorismus, der den Hintergrund für diese Philosophie des
„fatalistischen Selbstbewusstseins“ prägnant zusammenfasst:
Do you really think/ that love is gonna save
the world?
Well I don’t think so/ I just don’t think so
Do you really think/ that love is gonna save
your soul?
Well I sure hope so/ I really really hope so
But I don’t think so
Was unter dem
Begriff eines fatalistischen Selbstbewusstseins, eines Bewusstseins, das sich
wider besseres Wissen nicht unterkriegen lässt (ein leicht zu erkennender
Rückgriff auf einen übertragenen Existentialismus) – schlichter ausgedrückt,
das Leben ist ohne Zweifel ziemlich beschissen, aber das ist noch lange kein
Grund, zu resignieren und sich nicht zu wehren, so aussichtslos das ist. Was
also darunter zu verstehen ist, wird des öfteren in den Texten nur zu deutlich
– so in A Good Horse:
These are the promises I can keep
To live like I must
And ride with the dust in my face
In grace
I found myself a good horse
Yeah, I found myself a good horse
But things remained no different than
before...
Oder in Live and Learn:
Well
you get what you give
And hell yes I lived
But if you live as you learn
I don’t think I'd be learned
Oh with the sun in my eyes
Surprise, I’m living a life
But I don’t seem to learn
No I don’t think I can learn
And hell yes I lived
But if you live as you learn
I don’t think I'd be learned
Oh with the sun in my eyes
Surprise, I’m living a life
But I don’t seem to learn
No I don’t think I can learn
Und so reicht
die Bandbreite der Cardigans von bitteren Anklagen, bösartig Abgründigem (die
Texte von And Then You kissed Me I&II
sollte man sich sehr, sehr genau anhören!) bis hin zu fröhlichen Absagen – und
zahlreichen komödiantischen Elementen, um über die bösen Launen des Lebens
hinwegzukommen (Parodien in Text und Musik von Klassikern gehören zum üblichen
Repertoire, siehe u.a. Sabbath Bloody
Sabbath). Vielleicht auch einer der Gründe, warum sich die Gruppe so
schlecht einordnen lässt und somit stets unter „Indie-Irgendwas“ abgehandelt
wird. Nicht-Klassifizierbarkeit ist schließlich oft ein Qualitätszeichen.
Nach der
Gründung 1992 veröffentlichten die Cardigans ab 1994 Emmerdale, First Band on the
Moon (1996), Gran Turismo (1998)
und nach einiger Pause Long Gone Before
Daylight (2003) sowie Super Extra
Gravity (2005). Auf eine klug ausgesuchte Compilation mit den Singles, aber
auch raren B-Sides im Jahr 2008 verfolgten die einzelnen Bandmitglieder oftmals
Solo-Projekte. So veröffentlichte Nina Persson kürzlichst ihr Album Animal Heart. Auf weitere gemeinsame
Alben wäre trotzdem zu hoffen. Dringend.
Die Besetzung der Cardigans:
Nina Persson:
Vocals
Peter Svensson:
Guitar
Magnus
Sveningsson: Bass
Lars Olof
Johansson: Keyboards
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