Mittwoch, 5. Februar 2014

Schweden des Tages: "The Cardigans".


The Cardigans 

Dass Schweden zu den führenden Nationen gehört, was den Export von Musik angeht (nach den USA und Großbritannien), wurde bereits erwähnt. Vermutlich ist es sogar führend in dieser Hinsicht unter den nicht-englischsprachigen Nationen. Fast jedes Jahrzehnt wurde auch von einer schwedischen Gruppe geprägt, die Siebziger natürlich von ABBA, die Achtziger von Roxette, die Neunziger von Ace of Base, die 2000er Jahre von Mando Diao oder The Hives – und da sind viele mehr, die zeitgleich erfolgreich waren und sind und manche, von denen kaum jemand ahnt, dass es sich um Schweden handelt. 
 

ABBA, an Bekanntheitsgrad und noch immer andauernder Popularität nur von wenigen übertroffen, zählen ganz sicher nicht zu den Vorbildern der Cardigans, im Gegenteil, deren Frontfrau Nina Persson äußerte sich gelegentlich vorsichtig formuliert eher wenig ehrerbietig gegenüber ihren Landsleuten. Kein Wunder, musikalisch ist man dann doch etwas weit auseinander, noch mehr aber, was die Texte angeht.
 

The Cardigans wurden einst recht berühmt durch einen Soundtrack zu einer Neuverfilmung von Romeo und Julia, ihr bereits vorher herausgebrachtes Lied „Lovefool“ ging – mit neuem Video – hinauf in Charthöhen, die für diese Band eher untypisch waren. Für ein für diese Band, wie das eben so oft ist, auch eher untypisches Lied. Recht brav und radiotauglich kam es daher, Nina Persson als personifiziertes blondes Schwedenmädchen kullerte schön die Augen auf den Bildschirmen von MTV und Co. Nur wer genau hinhörte, konnte das dann doch wieder sehr charakteristische an ironischen Brechungen im Text heraushören – und wer andere Videos und Auftritte von Nina Persson kennt, wird sie kaum für ein süßes Mädel aus dem Norden halten. 

Ein schönes Beispiel für die Selbstironie, welche die Band gerne zelebriert, sind die Videos zu Erase/Rewind und insbesondere My Favourite Game, beide gehören noch zu den bekannteren. Das eigentlich bewundernswerte der musikalisch schwer einzuordnenden Gruppe sind die teils sehr komplexen, sehr zeitgenössisch desillusionierten Texte, die trotzdem einen Verfall in die Verzweiflung ablehnen. Am besten ausgedrückt wird dies durch ein sehr kurzes Stück – quasi ein gesungener Aphorismus, der den Hintergrund für diese Philosophie des „fatalistischen Selbstbewusstseins“ prägnant zusammenfasst:
 
Do you really think/ that love is gonna save the world?
Well I don’t think so/ I just don’t think so
Do you really think/ that love is gonna save your soul?
Well I sure hope so/ I really really hope so
But I don’t think so
 
Was unter dem Begriff eines fatalistischen Selbstbewusstseins, eines Bewusstseins, das sich wider besseres Wissen nicht unterkriegen lässt (ein leicht zu erkennender Rückgriff auf einen übertragenen Existentialismus) – schlichter ausgedrückt, das Leben ist ohne Zweifel ziemlich beschissen, aber das ist noch lange kein Grund, zu resignieren und sich nicht zu wehren, so aussichtslos das ist. Was also darunter zu verstehen ist, wird des öfteren in den Texten nur zu deutlich – so in A Good Horse: 
 
These are the promises I can keep
To live like I must
And ride with the dust in my face
In grace
I found myself a good horse
Yeah, I found myself a good horse
But things remained no different than before... 
 
Oder in Live and Learn: 
 
Well you get what you give
And hell yes I lived
But if you live as you learn
I don’t think I'd be learned
Oh with the sun in my eyes
Surprise, I’m living a life
But I don’t seem to learn
No I don’t think I can learn

Und so reicht die Bandbreite der Cardigans von bitteren Anklagen, bösartig Abgründigem (die Texte von And Then You kissed Me I&II sollte man sich sehr, sehr genau anhören!) bis hin zu fröhlichen Absagen – und zahlreichen komödiantischen Elementen, um über die bösen Launen des Lebens hinwegzukommen (Parodien in Text und Musik von Klassikern gehören zum üblichen Repertoire, siehe u.a. Sabbath Bloody Sabbath). Vielleicht auch einer der Gründe, warum sich die Gruppe so schlecht einordnen lässt und somit stets unter „Indie-Irgendwas“ abgehandelt wird. Nicht-Klassifizierbarkeit ist schließlich oft ein Qualitätszeichen.
 
Nach der Gründung 1992 veröffentlichten die Cardigans ab 1994 Emmerdale, First Band on the Moon (1996), Gran Turismo (1998) und nach einiger Pause Long Gone Before Daylight (2003) sowie Super Extra Gravity (2005). Auf eine klug ausgesuchte Compilation mit den Singles, aber auch raren B-Sides im Jahr 2008 verfolgten die einzelnen Bandmitglieder oftmals Solo-Projekte. So veröffentlichte Nina Persson kürzlichst ihr Album Animal Heart. Auf weitere gemeinsame Alben wäre trotzdem zu hoffen. Dringend. 
 
Die Besetzung der Cardigans:
Nina Persson: Vocals
Peter Svensson: Guitar
Magnus Sveningsson: Bass
Lars Olof Johansson: Keyboards
Bengt Lagerberg: Drums

Homepage: http://www.cardigans.com/?sid=default&bfs=1

 
  
 
 

            
 
   
 
 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen