Der
Schwedenkrimi ist ein Mythos – und ein Mysterium. Seit den Romanen des
Autorenduos Maj Slöwall und Per Wahlöö hat sich der sozialkritische Krimi aus
dem Norden etabliert, mit den Büchern Henning Mankells und zahlreicher
Nachfolger mit nicht minderem Erfolg (Hakan Nesser, Stieg Larsson, der Norweger
Jo Nesbo und viele mehr) seit den Neunziger Jahren den gesamten Kontinent, aber
insbesondere die deutschen Bücherregale zahlreich bevölkert. Zeitweilig musste
man den Eindruck gewinnen, mancher Autor habe seinen Namen einfach kurzerhand
skandinavisiert oder doch wenigstens die Handlung Richtung Norden verlegt, um
mehr Leserinnen und Leser zu finden.
Stellt sich
natürlich die Frage, warum gerade die Nachbarn aus der Bundesrepublik mit
offensichtlich wohligem Grusel jedem schwedischen Krimi-Schreiber seine mehr
oder minder spannenden Ergüsse regelrecht aus der Hand rissen? Vielleicht war
man hierzulande ganz froh, lesen zu können, dass im landschaftlich so schönen
und sozial so fürsorglichen Schweden auch nicht alles Gold war, was glänzt und
sich unter der harmonischen Oberfläche blutig-brutale Abgründe auftaten. Dafür
hätte man allerdings auch einfach nur in die Zeitung sehen können.
Es konnte nicht
ausbleiben, dass auch die Filmindustrie sich die Attraktivität der
Schwedenkrimis zunutze macht, weshalb nun auch das Vorabend- und Nachtprogramm
zahlreiche Einblicke in das Leben skandinavischer Kommissare und
Kommissarinnen, aber natürlich auch bösartiger Verschwörerzirkel und
skrupelloser Mörder gewährt – wobei der ursprüngliche Nebeneffekt, etwas über
Land und Leute sowie politische Verhältnisse zu erfahren, manches Mal nur noch
reichlich dürftig zu Tage tritt. Neben eigenständigen Filmen und Serien war es
nur natürlich, dass auch Mankells Romane eine Bildschirmversion bekommen
sollten (letztlich sogar drei, die gleich erwähnte, eine frühere Fernsehversion
und eine spätere britische Reihe).
Dem verdanken
wir es – aufgrund der Beliebtheit des Genres in Deutschland beteiligte sich die
ARD an der Finanzierung –, dass in die heimischen Flimmerkisten
erfreulicherweise schwedische Schauspielkunst zu besten Sendezeiten Einzug
erhielt (also nicht nur ab und zu ein Ingmar-Bergman-Film kurz nach Mitternacht
auf arte). Insbesondere erfeulich ist
dies im Fall der Akteurin Charlotta Jonsson.
Charlotta
Jonsson, geboren am 11.Mai 1973, übernahm nämlich die Rolle von Wallanders
Tochter Linda während der Phase, in der der alternde Kommissar – eine ebenfalls
sehr gekonnte schauspielerische Leistung des Hauptdarstellers Krister
Henriksson – aufgrund seiner Alzheimer-Krankheit stark abbaut, ohne sich dies
einzugestehen. Das verlangt, wenig überraschend, der mit ihm
zusammenarbeitenden Tochter einiges ab. Charlotta Jonsson setzt dies in ihrer
Rolle als das Dilemma zwischen Verpflichtung gegenüber dem Vater (nachdem er
ihr seine Krankheit endlich eingestanden hat) und Überforderung mit der
Situation in ihrer zurückhaltenden Art bewundernswert um.
Dies liegt mit
Sicherheit auch daran, dass sie von der klassischen Bühne kommt, sie studierte
erst in New York, später dann an der Theaterhochschule in Göteborg. Noch immer
spielt sie regelmäßig auf den Bühnen der schwedischen Großstädte, und
gelegentlich übernimmt sie auch die Regie. Dem heimischen Publikum in Schweden
ist sie jedoch besonders aus zahlreichen Serien und TV-Filmen bekannt, dazu
leiht sie ihre Stimme gern für Radioproduktionen, und hin und wieder auch
-werbung. So gesehen (und gehört) sind die schwedischen Nachbarn mal wieder im
Vorteil, denn nachdem Kurt Wallander in der deutsch-schwedischen Kooperation
inzwischen seinen Dienst beendet hat, müssen wir wohl erstmal auf ihre Präsenz
hier im Süden verzichten. Bleibt auf die Wiederholungen zu hoffen, auf neue
schwedische TV-Filme kurz nach Mitternacht auf arte – oder die Besetzung Charlotta Jonssons als Kommissarin in
irgendeinem neuen Schwedenkrimi.
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